Donnerstag, 22. Mai 2008

Universalistische vs. partikularistische Moral

Pogrome unter Nachbarn heißt der Kommentar von Dominic Johnson in der gestrigen Taz, der manchen guten Hinweis zum Verständnis der aktuellen Pogrome sowohl in Südafrika als auch in Italien enthält. Fremdenfeindliche Ausschreitungen gibt es überall auf der Welt – erinnert sei auch an Rostock-Lichtenhagen und Mölln - und sie müssen nicht rassistisch und auch nicht "ethnisch" oder religiös begründet sein. "Die Anderen" müssen dafür nur als "Andere" definiert, identifizierbar gemacht und dann als "Unser Unglück" markiert werden.

"Was ist gegen diese Herrschaft der Xenophobie zu tun?", fragt Johnson. "Gebrochen werden muss der politische Konsens, wonach die Anwesenheit von "Fremden" an sich ein Problem ist, für das eine Lösung gefunden werden muss. Im Gegenteil: Das Recht auf Freizügigkeit ist die Lösung für ein Problem - es ist ein Mittel gegen soziale und kulturelle Abschottung, und seine Respektierung ist ohnehin ein fundamentales Grundrecht eines jeden Menschen. Doch dieser einfache Gedanke scheint die Politik in vielen Ländern dieser Welt derzeit zu überfordern."

Zu kurz! Der Hinweis darauf, daß die Anwesenheit von Fremden "an sich" nicht das Problem ist, ist richtig. Einen generellen politischen Konsens darüber, daß es ein "Fremden"-Problem zu lösen gäbe, den gibt es jedoch so einfach nicht mehr. Nicht zuletzt ist Roland Kochs schlechtes Wahlergebnis bei den letzten Landtagswahlen ein Zeichen dafür gewesen, daß hier jedenfalls ein solcher politischer Konsens nicht mehr so leicht herzustellen ist. Es gibt jedoch andererseits auch noch keinen generellen gesellschaftlichen Konsens des Gegenteils. Auch handelt es sich nicht bloß um eine Frage der Politik. Es ist ein gesamtgesellschaftliches und ein weltgesellschaftliches Problem, das nicht allein auf der regionalen oder lokalen Ebene und mit politischen Mitteln zu lösen ist – indem etwa die Freizügigkeit politisch abgesichert wäre.

Worin besteht aber das Problem, wenn es kein "Fremden"- Problem ist? Es ist ein Problem der Weltanschauung und der Moral. Denn natürlich ist weder die Abwesenheit, noch die Anwesenheit von "Fremden" die Lösung des Xenophobie-Problems. Die Weltvernetzung in der Epoche der Globalisierung bietet jedoch die ständige Präsenz aller und macht Abschottung immer weniger möglich. Und so bietet sie einerseits die Möglichkeit und erfordert aber auch andererseits mit Notwendigkeit die weltweite Ausbreitung eines gesellschaftlichen Konsenses, der eine universalistische Moral im Gefolge eines universalistischen Welt- und Menschenbildes anstatt der bisher vorherrschenden partikularistischen Weltbilder und Moralen etabliert.

Nun sind veränderte Weltbilder, Menschenbilder, Moral nicht etwas, was sich aus sich selbst heraus entwickelt und verbreitet. Und auch kein "einfacher Gedanke", den "die Politik" nur begriffen haben und dann umsetzen müßte. Nicht die Ideen verändern die Welt, sondern umgekehrt: Die Welt verändert sich und mit ihr die Vorstellung von der Welt. Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien haben die Welt zu Einer Welt gemacht. Eine Anschauung von der Welt und vom Menschen wird also möglich, die im konkreten Einzelnen auch immer die eigene Gattung sieht, dem man darum auch nicht den Schädel einschlagen oder das Haus über dem Kopf anzünden kann - wie "anders" er sich auch immer darstellt - denn es würde bedeuten, sich selbst zu zerstören. Gleichzeitig gilt aber auch: Nicht die Welt macht den Menschen, sondern der Mensch die Welt und darüber sich selbst. Es geht also nicht von selbst, sondern muß gemacht werden. Aber es ist möglich. Das ist die eine gute Botschaft. Und es ist notwendig wie nie zuvor. Das ist die andere gute Botschaft, denn je notwendiger, desto eher wird es gemacht. Aber kein Grund zu überschäumendem Optimismus: "Es ist" - immer noch - "das Einfache, das schwer zu machen ist."
Bild: Ivan Montero / fotolia

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