Wer erinnert sich noch daran, daß - vor der Aufregung mit den Bundestagswahlen im Herbst - es erst kürzlich monatelang Aufregung mit anderen Wahlen gegeben hat? Ah ja! Die Wahlen zum Sächsischen Landtag! Da war doch was mit der NPD und mit rechtsextremistischem Wählerpotential, das teilweise durch die NPD ausgehoben worden war zum Schrecken aller etablierten Parteien. Und was soll jetzt falsch daran sein, daß sich andere als die NPD endlich um diese Klientel kümmern, auf daß sie nicht wieder in ihrem Zorn über die Verhältnisse hereinfalle auf antisemitische, rassistische, nationalistische, autoritäre und antirepublikanische Welterklärung?
In der moralisch aufgeregten Debatte über die Zuneigung so vieler Sachsen zur NPD hatten kühlere, analytische Beiträge einen schweren Stand. Zum Beispiel
Horst Meier: Er fand, daß man anstatt eines erneuten NPD-Verbotsversuchs eine politische Auseinandersetzung mit Programm und Politik der NPD führen müsse, vor der sich die Parlamentarier gedrückt hatten. "Aber wo, wenn nicht im Parlament, wäre der richtige Ort, sich mit Rechtsradikalen 'geistig' auseinanderzusetzen? Hier muss ganz exemplarisch der offene Diskurs, die harte politische Debatte geführt werden. Mit allen über alles. Wer sich außerstande sieht, mit Rechtsradikalen über die Todesstrafe und die Internierung von Flüchtlingen oder die Holocaust-Gedenkstätte oder den angloamerikanischen Luftkrieg zu streiten, sollte schleunigst vom Parlament ins Grundbuchamt wechseln". Nun müßten sich die Beamten inzwischen im Grundbuchamt ziemlich drängeln, denn zu einer solchen Debatte war man nicht fähig gewesen. Weiter Horst Meier: "Dabei sind die Abgeordneten dieser Parteien noch das kleinere Problem. Schlimmer sind die, die solche nationalen Talente ohne Rücksicht auf Verluste wählen. Eine Partei kann man verbieten. Man kann aber Wählern nicht verbieten, die 'falsche' Partei zu wählen". Richtig gesprochen! Was also ist nicht in Ordnung daran, statt Wahlverbote diesen "rechten Rand", das "Trübe", abzufischen und die "kleinen Leute" anderswohin zu orientieren, nämlich zu einer demokratischen, republikbejahenden Partei, wie zum Beispiel der WASG/PDS?
vertan hat einen schönen Beitrag über des Innenminister Schönbohms politische Bigotterie geschrieben, daran erinnernd, daß man nicht auf Lafontaines Wortwahl allergisch reagieren dürfe, wenn man selbst eben noch vor der Danubia-Burschenschaft Vorträge gehalten hat: "Der Streit um Worte (...) wird langsam absurd, wenn der eine Wolf dem anderen mit dem Rudel droht."
Darf also Herr Lafontaine am rechten Rand im Trüben fischen gehen? Es ist wohl keine Frage des Dürfens. In unserem Politiksystem ist es das Bestreben der Politiker, vor Wahlen Wählerstimmen zu fischen. Was sollten sie auch sonst tun? Und täten sie es nicht, dann wären sie nicht länger Politiker. Sie
machen Politik. Sie
betreiben keine Politische Bildung . Das Geschäft der Politischen Bildung besorgen andere: die aus dem Erziehungssystem. Lafontaine muß fragen: Wie kriege ich den Wähler? Der
Politiklehrer muß fragen: Wie kläre ich den (zukünftigen) Wähler über die politischen Verhältnisse auf? Man sieht: Die beiden Systeme haben nicht viel miteinander zu tun. Der Politiker fischt - mit trüben Methoden, mag sein, und das müßte nicht sein. Aber
daß er fischen muß und dazu im Trüben, weil dort
auch Fische sind, das kann man ihm doch nicht vorwerfen. Man müßte sich vielmehr Gedanken darum machen, was daran für die Lösung gesellschaftlicher Probleme ungünstig ist, daß das Geschäft der praktischen Politik so ganz und gar nichts mit dem Geschäft der politischen Aufklärung zu tun hat, ja, genauer gesagt, sich diese beiden Geschäftszweige offenbar spinnefeind sind.