Verwaltung statt Politik
Zwar ist heute der 1. Mai, und bembelkandidat hat den Kampf- oder Nichtkampftag der Arbeiterklasse oder nicht -klasse schon gewürdigt und das Küchenkabinett wird es bestimmt noch tun.
Ich komme jedoch den Tagesereignissen und dem politischen Kalender kaum hinterher und bin mit den politischen Scherzen des 1. April in Hamburg-Harburg noch nicht fertig.
Am 1. April titeln die Harburger. Anzeigen und Nachrichten "'Das mache ich nicht mit!' Harburg: Bezirksamtleiter gegen Politisierung des Rathauses". Ein dummer Aprilscherz, denke ich zunächst, denn das kann ja wohl nicht ernst gemeint sein: Rathaus ohne Politik. Doch ich muß mich eines Besseren belehren lassen: Es ist nicht nur Ernst - es ist Realsatire, wie man sie nicht besser erfinden kann.
Die DGB-Jugend hatte eine Ausstellung in den Räumen des Rathauses zur Aufklärung über die aktuellen Strategien und Aktionen der rechtsextremen Jugend beantragt, die vom Bundesfamilienministerium gefördert wird. Die CDU-Fraktion lehnte die Ausstellung in den Räumen des Harburger Rathauses ab; im Harburger Raum sind Neonazi-Gruppen präsent. Fraktionschef Ralf-Dieter Fischer begründet die Ablehnung laut TAZ damit,
"dass eine Antifa-Woche, 'die im Rathaus veranstaltet wird und damit einen offiziellen Charakter erhält, kontraproduktiv' sei und die 'Kreativität unerwünschter rechter Organisationen' hervorrufe. Zurückhaltung sei 'angebracht'. Auch die Polizei ermahne, 'die Spirale nicht noch weiterzudrehen'. Außerdem dürften sowieso nur die Bezirksfraktionen die Räume im Rathaus nutzen. Würden sie für die Antifa-Woche geöffnet, befürchtet er, könnte das 'schwer abwehrbahre Forderungen nach Gleichbehandlung nach sich ziehen'".
Die darauf folgende öffentliche Auseinandersetzung zwischen CDU einerseits und der DGB-Jugend sowie der SPD andererseits, führte dann zu der oben genannten Äußerung des Bezirksamtsleiters Torsten Meinberg (CDU), der laut Harburger. Anzeigen und Nachrichten schnell noch ein gewichtiges, weil verwaltungstechnisches Argument nachschob, nämlich daß Veranstaltungen dieser Art den Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigten.
Diese Vorgänge und Äußerungen wären zum Lachen, wenn sie nicht so gefährlich und leider so verbreitet in den deutschen Amtsstuben wären: eine "demokratische Mitte"-Partei, die den Kampf gegen Neonazismus nicht in ihrem Rathaus haben möchte, weil sie sich dann selbst mit den Neonazis auseinandersetzen müßte; eine Polizei, die wegen bloß formaler Auffassung ihres Auftrags - für Schutz vor Gewaltakten und für die Einhaltung der Gesetze zu sorgen - nicht zwischen den Nazis und der Gegenwehr gegen sie unterscheiden kann, und die darum behauptet, Gegenmaßnahmen würden die Nazis erst zur Aktion motivieren; und ein Amtsleiter, der keine Politik in seinem Rathaus wünscht, weil diese den Dienstalltag stört -
diesefeige vornehme (Zurück-)Haltung war seinerzeit mitverantwortlich dafür, daß das Vorbild der Neonazis, die NSDAP, überall im Deutschen Reich so präsent werden und die sozialen Strukturen von Stadtteilen und Kommunen völlig unbehelligt von den Amtsinhabern und Amtsverwaltern der Demokratie druchdringen konnte - lange, bevor sie von unten an die Macht gewählt und von oben damit beauftragt wurde.
Die Entpolitisierung des öffentlichen Raums und die Veramtisierung der Rathäuser und Parlamente, die Politik nicht als "Einmischung der Subjekte in ihre eigenen Angelegenheiten" (Max Frisch) verstehen, sondern auf Amtsakte und ungestörten "Dienstbetrieb" reduzieren möchten, sind verantwortlich dafür, daß es in vielen ostdeutschen Kommunen "national befreite Zonen" geben kann. Schon jetzt sind in solchen Orten die Nazis die einzigen, die in diesen "politikfreien" Räumen Politik machen.
Und - wie die Geschichte gezeigt hat: Es ist schwierig, sie danach durch einen von oben angeordneten "Aufstand der Anständigen" wieder hinauszuwerfen, wenn man zuvor die Anständigkeit nicht gepflegt, sondern des Raums verwiesen hat.
Mir ist das Lachen über den Aprilscherz in Harburg im Halse stecken geblieben. Wer wirklich laut gelacht haben wird über diesen Streich? Die Harburger Neonazis.
Ich komme jedoch den Tagesereignissen und dem politischen Kalender kaum hinterher und bin mit den politischen Scherzen des 1. April in Hamburg-Harburg noch nicht fertig.
Am 1. April titeln die Harburger. Anzeigen und Nachrichten "'Das mache ich nicht mit!' Harburg: Bezirksamtleiter gegen Politisierung des Rathauses". Ein dummer Aprilscherz, denke ich zunächst, denn das kann ja wohl nicht ernst gemeint sein: Rathaus ohne Politik. Doch ich muß mich eines Besseren belehren lassen: Es ist nicht nur Ernst - es ist Realsatire, wie man sie nicht besser erfinden kann.
Die DGB-Jugend hatte eine Ausstellung in den Räumen des Rathauses zur Aufklärung über die aktuellen Strategien und Aktionen der rechtsextremen Jugend beantragt, die vom Bundesfamilienministerium gefördert wird. Die CDU-Fraktion lehnte die Ausstellung in den Räumen des Harburger Rathauses ab; im Harburger Raum sind Neonazi-Gruppen präsent. Fraktionschef Ralf-Dieter Fischer begründet die Ablehnung laut TAZ damit,
"dass eine Antifa-Woche, 'die im Rathaus veranstaltet wird und damit einen offiziellen Charakter erhält, kontraproduktiv' sei und die 'Kreativität unerwünschter rechter Organisationen' hervorrufe. Zurückhaltung sei 'angebracht'. Auch die Polizei ermahne, 'die Spirale nicht noch weiterzudrehen'. Außerdem dürften sowieso nur die Bezirksfraktionen die Räume im Rathaus nutzen. Würden sie für die Antifa-Woche geöffnet, befürchtet er, könnte das 'schwer abwehrbahre Forderungen nach Gleichbehandlung nach sich ziehen'".
Die darauf folgende öffentliche Auseinandersetzung zwischen CDU einerseits und der DGB-Jugend sowie der SPD andererseits, führte dann zu der oben genannten Äußerung des Bezirksamtsleiters Torsten Meinberg (CDU), der laut Harburger. Anzeigen und Nachrichten schnell noch ein gewichtiges, weil verwaltungstechnisches Argument nachschob, nämlich daß Veranstaltungen dieser Art den Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigten.
Diese Vorgänge und Äußerungen wären zum Lachen, wenn sie nicht so gefährlich und leider so verbreitet in den deutschen Amtsstuben wären: eine "demokratische Mitte"-Partei, die den Kampf gegen Neonazismus nicht in ihrem Rathaus haben möchte, weil sie sich dann selbst mit den Neonazis auseinandersetzen müßte; eine Polizei, die wegen bloß formaler Auffassung ihres Auftrags - für Schutz vor Gewaltakten und für die Einhaltung der Gesetze zu sorgen - nicht zwischen den Nazis und der Gegenwehr gegen sie unterscheiden kann, und die darum behauptet, Gegenmaßnahmen würden die Nazis erst zur Aktion motivieren; und ein Amtsleiter, der keine Politik in seinem Rathaus wünscht, weil diese den Dienstalltag stört -
diese
Die Entpolitisierung des öffentlichen Raums und die Veramtisierung der Rathäuser und Parlamente, die Politik nicht als "Einmischung der Subjekte in ihre eigenen Angelegenheiten" (Max Frisch) verstehen, sondern auf Amtsakte und ungestörten "Dienstbetrieb" reduzieren möchten, sind verantwortlich dafür, daß es in vielen ostdeutschen Kommunen "national befreite Zonen" geben kann. Schon jetzt sind in solchen Orten die Nazis die einzigen, die in diesen "politikfreien" Räumen Politik machen.
Und - wie die Geschichte gezeigt hat: Es ist schwierig, sie danach durch einen von oben angeordneten "Aufstand der Anständigen" wieder hinauszuwerfen, wenn man zuvor die Anständigkeit nicht gepflegt, sondern des Raums verwiesen hat.
Mir ist das Lachen über den Aprilscherz in Harburg im Halse stecken geblieben. Wer wirklich laut gelacht haben wird über diesen Streich? Die Harburger Neonazis.
Lisa Rosa - 1. Mai, 13:05