Medien, Monster und die Beherrschung der Zukunft
Beim Fuckup-Weblog fand ich heute den höchst interessanten Hinweis auf Susanne Keunekes Vorlesungssfolien "Angstmedien - Medienängste". Wie Michael Giesecke periodisiert auch sie überzeugend die Geschichte der Menschheit als Mediengeschichte. Der Fokus ihrer Untersuchung liegt dabei auf dem Auffinden der Ursachen für die zu Beginn jeder Epoche - eingeleitet durch eine neue Medientechnologie - stattfindende Verteufelung des neuen Mediums. Von der Erfindung der Schrift in der Antike, über den Buchdruck, bis hin zur Erfindung von Kino und Comic findet sie dabei immer wieder dasselbe Muster von Ablehnung und Kampf gegen das neue Medium bis zu seiner gesellschaftlichen Implementierung und Institutionalisierung, mit der das neue Medium adaptiert und akzeptiert ist.
Überzeugend zeigt sie an allen jeweils neuen Medien die Übereinstimmung in den offiziellen Begründungen der Abwehr:
Im online-Seminar der Friedrich-Naumann-Stiftung zum Thema Hirnforschung, was sagt sie uns für das Lernen? tobt zur Zeit der Bär über die Frage, wann wir unsere Kinder überhaupt vor den Computer setzen dürfen, damit sie nicht biologischen, seelischen und sozialen Schaden nehmen. Hirnforscher, Pädagogen, Mütter und Väter sorgen sich um das Wohl ihrer Kinder angesichts des Monsters Computer. Wissenschaftliche Hauptreferenz ist der Neurobiologe Manfred Spitzer, der erst kürzlich in Psychologie Heute mahnte: "Kauft den Kindern keinen Computer!"
Susanne Keuneke findet als gesellschaftliche Ursache für den Kampf gegen das jeweils neue Medium die Angst der jeweiligen Obrigkeit vor Macht- und Privilegienverlust. Da ist sicher etwas dran.
Welche Privilegien aber hat das Lehrer- oder Neurologen-Individuum durch die Computer literacy der Kinder und Jugendlichen zu verlieren und muß darum "das Buch" - vergessen ist der Kampf gegen die "Schundliteratur" - als Medium gegen den Computer verteidigen?
Was ich hinter der Diskussion mit Pädagogen-Kollegen, nicht zuletzt mit "Medienpädagogen" um die 50 und älter erfahre, ist, daß sie, die in der Gutenberg-Galaxis (McLuhan) sozialisiert wurden, ihre eigenen Ängste vor dem Neuen Medium auf die nächste Generation projizieren, wie ehedem wohl der Lehrer in der Neuzeit seine eigene Angst vor dem erweiterten Horizont, der sich ihm mit dem Buch eröffnete und unbeherrschbar erschien, auf die damaligen Schüler projizierte und darum deren Lektüre unter seine Kontrolle zu bringen trachtete.
Es hilft nichts: Wir "Alten" müssen erkennen, daß wir bestenfalls nur "Digital Immigrants" sind und die Eroberung des neuen Leitmediums durch die "Digital Natives" (Marc Prensky), die Generation der unter 20-Jährigen, nicht verhindern, ja noch nicht einmal kontrollieren können. Wir dürfen es auch nicht, wollen wir die Kinder nicht an der Ausbildung ihrer Zukunftsfähigkeit behindern. Denn deren Ausbildung der Fähigkeit zur Beherrschung des neuen Mediums ist umgekehrt proportional unserer neurotischen Kontrollversuche.
Aber ebenso, wie man seinem Kind nicht ein Bilderbuch vor die Füße wirft - erstes Medium zur Erlernung von Zeichen, die nicht die Realität sind, die sie bezeichnen, sondern auf diese verweisen - sondern es mit ihm zusammen anschaut und "bespricht": Was außer der eigenen Angst vor dem Neuen Medium hindert uns daran, zusammen mit unseren Kindern Computer und Internet zu erkunden und beherrschen zu lernen?
Überzeugend zeigt sie an allen jeweils neuen Medien die Übereinstimmung in den offiziellen Begründungen der Abwehr:
- Behauptung einer körperlichen Mißbildung durch das neue Medium
- Behauptung der Entstehung von Aggressivität und Gewalt durch das neue Medium
- Behauptung der Asozialisation, also der mißlingenden sozialen Anpassung der Nutzer des neuen Mediums
- Behauptung, das neue Medium mache süchtig und führe zum Verlust der Kontrolle über das eigene Leben
- Behauptung, das neue Medium würde vom "echten" Leben abhalten
Im online-Seminar der Friedrich-Naumann-Stiftung zum Thema Hirnforschung, was sagt sie uns für das Lernen? tobt zur Zeit der Bär über die Frage, wann wir unsere Kinder überhaupt vor den Computer setzen dürfen, damit sie nicht biologischen, seelischen und sozialen Schaden nehmen. Hirnforscher, Pädagogen, Mütter und Väter sorgen sich um das Wohl ihrer Kinder angesichts des Monsters Computer. Wissenschaftliche Hauptreferenz ist der Neurobiologe Manfred Spitzer, der erst kürzlich in Psychologie Heute mahnte: "Kauft den Kindern keinen Computer!"
Susanne Keuneke findet als gesellschaftliche Ursache für den Kampf gegen das jeweils neue Medium die Angst der jeweiligen Obrigkeit vor Macht- und Privilegienverlust. Da ist sicher etwas dran.
Welche Privilegien aber hat das Lehrer- oder Neurologen-Individuum durch die Computer literacy der Kinder und Jugendlichen zu verlieren und muß darum "das Buch" - vergessen ist der Kampf gegen die "Schundliteratur" - als Medium gegen den Computer verteidigen?
Was ich hinter der Diskussion mit Pädagogen-Kollegen, nicht zuletzt mit "Medienpädagogen" um die 50 und älter erfahre, ist, daß sie, die in der Gutenberg-Galaxis (McLuhan) sozialisiert wurden, ihre eigenen Ängste vor dem Neuen Medium auf die nächste Generation projizieren, wie ehedem wohl der Lehrer in der Neuzeit seine eigene Angst vor dem erweiterten Horizont, der sich ihm mit dem Buch eröffnete und unbeherrschbar erschien, auf die damaligen Schüler projizierte und darum deren Lektüre unter seine Kontrolle zu bringen trachtete.
Es hilft nichts: Wir "Alten" müssen erkennen, daß wir bestenfalls nur "Digital Immigrants" sind und die Eroberung des neuen Leitmediums durch die "Digital Natives" (Marc Prensky), die Generation der unter 20-Jährigen, nicht verhindern, ja noch nicht einmal kontrollieren können. Wir dürfen es auch nicht, wollen wir die Kinder nicht an der Ausbildung ihrer Zukunftsfähigkeit behindern. Denn deren Ausbildung der Fähigkeit zur Beherrschung des neuen Mediums ist umgekehrt proportional unserer neurotischen Kontrollversuche.
Aber ebenso, wie man seinem Kind nicht ein Bilderbuch vor die Füße wirft - erstes Medium zur Erlernung von Zeichen, die nicht die Realität sind, die sie bezeichnen, sondern auf diese verweisen - sondern es mit ihm zusammen anschaut und "bespricht": Was außer der eigenen Angst vor dem Neuen Medium hindert uns daran, zusammen mit unseren Kindern Computer und Internet zu erkunden und beherrschen zu lernen?
Lisa Rosa - 20. Nov, 19:41