Ratloser Anti-Rechtsextremismus
Na klar: Jedes Kind hat gelernt, daß man Probleme und ihre Auswirkungen nicht verbieten kann. Wir lernen es, weil wir in unserer Lebenspraxis wiederholt erfahren, daß unser Aussprechen von Verboten keine Macht über die Realität hat. Der Glaube an die Wirksamkeit von Verboten, die mit politischer Macht ausgesprochen werden, hält sich jedoch zäh. Das Problem der Gewalttätigkeit unter Jugendlichen bis hin zu Amoklauf und Selbstmordattentat möchte man verbieten durch Verbot des vermeintlich schuldigen computer game. Ebenso verfährt die Politik gerne mit dem Problem der zunehmenden Attraktivität des Rechtsextremismus. Symbolpolitik zur Vergangenheits"bewältigung" und aktionistisches Getöse mit Verbotsrufen zur Gegenwarts"bewältigung" sind die beliebtesten Abwehrzauber, an die - zumindest von ihren Erfindern und Akteuren - hartnäckig geglaubt wird, auch wenn sie noch nie geholfen haben.
Inzwischen hat sich eine Teilöffentlichkeit allerdings durchgeschlagen zu der Erkenntnis, daß die politisch-juristischen Zaubermittel nichts taugen. "Ein Verbot hilft nicht", weiß di Lorenzo in der ZEIT vom 23. November. Was aber stattdessen? Das weiß er nicht. "Was aber unzweifelhaft den Extremisten hilft, ist die Tatsache, dass es dem parlamentarischen System in Deutschland zurzeit tatsächlich schwer fällt, Anziehungskraft zu entfalten."
Und dann wird es geheimnisvoll: "Das Bedürfnis nach Führung ist etwas grundlegend anderes als der Ruf nach einem Führer", bietet di Lorenzo als Erklärung für die Wahlabstinenz der Mehrheit der Sachsen-Anhaltiner. Und da endet der Artikel denn auch.
In derselben Ausgabe der ZEIT von Thomas Assheuer "Der Übersehene". Ein Artikel mit derselben Struktur wie der di Lorenzos zum Rechtsextremismus: Irgendwie weiß man, daß nicht das "Killerspiel" allein die Ursache für das Selbstmordattentat in Emsdetten gewesen sein kann. Und irgendwie hat es etwas mit "fehlender Anerkennung" zu tun, aber die Erkenntnis bleibt vage und wird nicht weiter verfolgt.
Es scheint, als sei hilfloses Stochern im Nebel und Ratlosigkeit gegenüber der Zunahme von Gewalt und der anwachsenden Attraktivität rechtsextremistischer Ideologie der Preis dafür, wenn Symptome nicht als Reaktionen auf eine Krankheit verstanden, sondern mit der Krankheit selbst verwechselt werden. Anders: Sowohl die zunehmenden Psychiatrisierungen, Selbstmorde und Gewaltexzesse von Schülern als auch der Zulauf zu antidemokratischen ideologischen "Lösungsangeboten" sind Folgen und Symptome derselben "Krankheit" unserer Gesellschaft:
Sie besteht darin, daß weder die Politik-, noch die Erziehungssysteme fähig sind, die Notwendigkeit einer fundamentalen Veränderung aller gesellschaftlichen Systeme infolge der weltweiten epochemachenden Umwälzung durch die Informations- und Kommunikationstechnologien zu begreifen. Und so werden die Menschen von Politik, Medien und Schule weiterhin beschwichtigt, es wird ihnen immer weiter eingeredet, was sie selbst aufgrund ihrer eigenen konkreten Erfahrungen mit der Realität zurecht schon nicht mehr glauben:
Daß es unter Beibehaltung der gegenwärtigen Gesellschaftsstrukturen möglich wäre, die Zukunft zu meistern. Daß es möglich wäre, alles beim Alten zu lassen und sich trotzdem wesentlich zu verändern. Daß es möglich wäre, neue Arbeitsplätze zu schaffen, obwohl es mit Händen zu greifen ist, daß die Zeit der Produktionserwerbsarbeit unwiderruflich vorbei ist. Die Menschen haben dann entweder die Möglichkeit, an ihrer eigenen Realitätswahrnehmung zu zweifeln. Dann können sie noch eine Weile zur Wahl gehen und mal auf diese, mal auf jene Partei hoffen. Oder sie gehen gleich in die Psychiatrie, weil sie am Widerspruch mit sich und der Welt verzweifeln. Oder sie erschießen sich und andere. Oder sie treten einer Sekte bei und finden die Erklärung der Widersprüche und den Sinn ihres Lebens in religiöser (Aber-)Glaubenspraxis. Oder:
Sie klammern sich an die einzige politische Ideologie, die IMMERHIN die Problemlagen als radikale Probleme benennt - wie verquast und falsch auch immer - ,die mit den bisherigen Mitteln nicht behoben werden können, und die dazu radikale Lösungen anbietet - wie schlicht, "populistisch", antidemokratisch und falsch auch immer. Die Menschen werden radikal, weil sie radikale Folgen eines radikalen Umwälzungsprozesses zu spüren bekommen. Statt radikal könnte man auch extrem sagen. Also: Solange die politischen und Erziehungssysteme nicht selbst radikal und extrem werden, und zwar radikal in der Analyse der Probleme, radikal offen in der Kommunikation der Probleme und in Richtung extremer Partizipation aller Menschen an den Entscheidungen über ihre Angelegenheiten - solange werden die Menschen diese notwendige Radikalität eben da suchen, wo sie angeboten wird: Bei der NPD, in Neonazi-Kameradschaften, in extremen gewalttätigen Verhaltensweisen oder in extrem obskuren religiösen Ideologien.
Nicht diese sind "das Problem". Die gesellschaftlichen Probleme sind das Problem.
Inzwischen hat sich eine Teilöffentlichkeit allerdings durchgeschlagen zu der Erkenntnis, daß die politisch-juristischen Zaubermittel nichts taugen. "Ein Verbot hilft nicht", weiß di Lorenzo in der ZEIT vom 23. November. Was aber stattdessen? Das weiß er nicht. "Was aber unzweifelhaft den Extremisten hilft, ist die Tatsache, dass es dem parlamentarischen System in Deutschland zurzeit tatsächlich schwer fällt, Anziehungskraft zu entfalten."
Und dann wird es geheimnisvoll: "Das Bedürfnis nach Führung ist etwas grundlegend anderes als der Ruf nach einem Führer", bietet di Lorenzo als Erklärung für die Wahlabstinenz der Mehrheit der Sachsen-Anhaltiner. Und da endet der Artikel denn auch.
In derselben Ausgabe der ZEIT von Thomas Assheuer "Der Übersehene". Ein Artikel mit derselben Struktur wie der di Lorenzos zum Rechtsextremismus: Irgendwie weiß man, daß nicht das "Killerspiel" allein die Ursache für das Selbstmordattentat in Emsdetten gewesen sein kann. Und irgendwie hat es etwas mit "fehlender Anerkennung" zu tun, aber die Erkenntnis bleibt vage und wird nicht weiter verfolgt.
Es scheint, als sei hilfloses Stochern im Nebel und Ratlosigkeit gegenüber der Zunahme von Gewalt und der anwachsenden Attraktivität rechtsextremistischer Ideologie der Preis dafür, wenn Symptome nicht als Reaktionen auf eine Krankheit verstanden, sondern mit der Krankheit selbst verwechselt werden. Anders: Sowohl die zunehmenden Psychiatrisierungen, Selbstmorde und Gewaltexzesse von Schülern als auch der Zulauf zu antidemokratischen ideologischen "Lösungsangeboten" sind Folgen und Symptome derselben "Krankheit" unserer Gesellschaft:
Sie besteht darin, daß weder die Politik-, noch die Erziehungssysteme fähig sind, die Notwendigkeit einer fundamentalen Veränderung aller gesellschaftlichen Systeme infolge der weltweiten epochemachenden Umwälzung durch die Informations- und Kommunikationstechnologien zu begreifen. Und so werden die Menschen von Politik, Medien und Schule weiterhin beschwichtigt, es wird ihnen immer weiter eingeredet, was sie selbst aufgrund ihrer eigenen konkreten Erfahrungen mit der Realität zurecht schon nicht mehr glauben:
Daß es unter Beibehaltung der gegenwärtigen Gesellschaftsstrukturen möglich wäre, die Zukunft zu meistern. Daß es möglich wäre, alles beim Alten zu lassen und sich trotzdem wesentlich zu verändern. Daß es möglich wäre, neue Arbeitsplätze zu schaffen, obwohl es mit Händen zu greifen ist, daß die Zeit der Produktionserwerbsarbeit unwiderruflich vorbei ist. Die Menschen haben dann entweder die Möglichkeit, an ihrer eigenen Realitätswahrnehmung zu zweifeln. Dann können sie noch eine Weile zur Wahl gehen und mal auf diese, mal auf jene Partei hoffen. Oder sie gehen gleich in die Psychiatrie, weil sie am Widerspruch mit sich und der Welt verzweifeln. Oder sie erschießen sich und andere. Oder sie treten einer Sekte bei und finden die Erklärung der Widersprüche und den Sinn ihres Lebens in religiöser (Aber-)Glaubenspraxis. Oder:
Sie klammern sich an die einzige politische Ideologie, die IMMERHIN die Problemlagen als radikale Probleme benennt - wie verquast und falsch auch immer - ,die mit den bisherigen Mitteln nicht behoben werden können, und die dazu radikale Lösungen anbietet - wie schlicht, "populistisch", antidemokratisch und falsch auch immer. Die Menschen werden radikal, weil sie radikale Folgen eines radikalen Umwälzungsprozesses zu spüren bekommen. Statt radikal könnte man auch extrem sagen. Also: Solange die politischen und Erziehungssysteme nicht selbst radikal und extrem werden, und zwar radikal in der Analyse der Probleme, radikal offen in der Kommunikation der Probleme und in Richtung extremer Partizipation aller Menschen an den Entscheidungen über ihre Angelegenheiten - solange werden die Menschen diese notwendige Radikalität eben da suchen, wo sie angeboten wird: Bei der NPD, in Neonazi-Kameradschaften, in extremen gewalttätigen Verhaltensweisen oder in extrem obskuren religiösen Ideologien.
Nicht diese sind "das Problem". Die gesellschaftlichen Probleme sind das Problem.
Lisa Rosa - 27. Nov, 09:57