Nele Abels (Gast) - 10. Apr, 12:31

Sehr interessante Rezension

Ohne die Arbeit rezipiert zu haben, finde ich auf mehreren Ebenen sehr interessant, was du da zu sagen hast. Ich kann nur herzlich ins gleiche Horn tuten!

Ich bin Geschichtslehrer und mit 39 Jahren komme ich aus der Generation, die zum ersten Mal so richtig in der Schule mit der Shoah und der NS-Diktatur konfrontiert worden sind. Während meines Studium habe ich mich extracurricular mehrere Jahre mit der direkten Auseinandersetzung mit Holocaustleugnern im Internet beschäftigt. Dabei habe ich sehr viel Wissen über dieses historische Phänomen angesammelt. Eigentlich müsste ich also zu einer Personengruppe gehören, die von ihrer persönlichen Grundhaltung ebenso wie von ihrer Berufsverpflichtung her dafür stimmen müsste, den NS-Unterricht so weit wie möglich zu intensivieren.

Wenn ich in den Medien mit einer abermaligen knoppisierten und didaktiksierten Aufklärung über das 3. Reich und seine Verbrechen konfrontiert werde, sehe ich aber bei einer ehrlichen Überprüfung meiner emotionalen und spontanen Reaktionen in erster Linie eins: ich bin übersättigt. Ich mag nicht mehr. Ich will nicht mehr belehrt werden.

Wenn das meine eigene authentische Reaktion als Lehrer und Geschichtsprofi ist, der sowieso ein tieferes Interesse an dieser Zeit hat, wie soll ich dann nicht zur Kenntnis nehmen, dass meine eigenen Schüler mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenso übersättigt sind? Und das dieses Gefühl authentisch ist und vom Pädagogen und Didaktiker selbstverständlich ernst zu nehmen ist?

Da kommt die Frage nach dem Sinn ins Spiel: welchen Sinn hat eine Geschichtsdidaktik des NS-Terrors, die das affektive Hauptlernziel bewirkt, dass die Schüler sich im späteren Leben nicht mehr mit der Thematik auseinandersetzen wollen? In diesem Zusammenhang bemitleide ich jetzt schon die zahllosen Klassen, die in die neue Verfilmung von "die Welle" geführt werden, die, wenn der Trailer etwas aussagt, eher reisserisch und effekthaschend ist.

Mit der Übersättigung hängt auch die Forderung zusammen, dass der Geschichtsunterricht irgendwelche aktuellen Forschungsstände erreichen soll. Das ist Unsinn. Auf dem Gymnasium ist eine vertiefte allgemeine Bildung zu erreichen, verbunden mit wissenschaftspropädeutischen Ansätzen. Das gilt auch für den Geschichtsunterricht.

Natürlich geht es nicht, dass man z.B. den Wissensstand der 50er Jahre vertritt, was die Bedeutung der Einsatzgruppen und die Vernachlässigung der Verantwortung der breiten Bevölkerung angeht (Stichwort "Arisierung", Stichwort "was war bekannt?") Aber es reicht doch völlig, wenn Schüler ein allgemeines Wissen erwerben, wie in einer Gesellschaft ein Hass bis hin zum Genozid entstehen kann und welche konkreten Konsequenzen dieser haben kann.

Dass die Schule nur "offiziell über den Holocaust sprechen kann", finde ich übrigens so schlimm nicht. Die Schule spricht für die Prinzipien der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Dafür einzustehen, damit habe ich Beamter keinerlei Schwierigkeit.

Aber ingesamt kann ich für mich nur die Konsequenz ziehen, dass das "Weniger", was wohlüberlegt ausgewählt und didaktisch klug vermittelt wird, letzlich sehr viel an "Mehr" ist.

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