ich lese Ihr Weblog gerne und fand auch diesen Artikel interessant. Ob
die Delegitimation der alten Demokratien Fakt ist, darüber könnte man
streiten (meine Demokratieverständnis ist vermutlich stärker an
konstanten formalen Kriterien orientiert. Die Anerkennung dieser
Staatsform ist in meinen Augen deshalb eher ein praktisches Problem,
will man sie verteidigen), das möchte ich aber nicht, weil ich den
Grundtenor teile.
In zwei Punkten aber ich grundlegende Zweifel:
1.) Ich glaube das man Selbststeuerung nicht überschätzen sollte.
Probleme wie Kriminalität oder auch bildungspolitische Fragen sind
prädestiniert für lokale Governanz, Grundprobleme wie Arbeitslosigkeit,
Ungleichverteilung der Güter oder die Stabilität der sozialen
Versicherungssysteme lassen sich nicht lokal lösen.
2.) Ich teile die allgemeine Web 2.0-Euphorie nicht. Mir ist überhaupt
nicht einsichtig, in wie fern insbesondere die Beispiele
"Online-Roleplaying-Games" oder "Second Life" dazu geeignet sein sollen,
(neue) Demokratiemodelle *wirksam* zu trainieren. Das Web 2.0 gar zu einer
Vorbedingung zur Lösung der Krise der Demokratie zu stilisieren scheint mir
gewagt. Hier sind zuvorderst auch die staatlichen Bildungseinrichtungen
gefragt. Ich glaube, dass man mit Simulationen im Stile eines MUN oder
Ideen wie der Schule als Polis mehr bewirken kann.
Lieber Lars, die Einwände finde ich bedenkenswert. Welche Funktionen der Staat mit Kontextsteuerung übernehmen muß, ist ja noch nicht ausgemacht. Wichtig finde ich überhaupt, daß Selbststeuerung als eine bedeutende Komponente wahrgenommen wird. Ich sehe sie aber nicht nur lokal. Die Erfahrungen mit Selbststeuerung im Rahmen allgemeiner juristischer und politischer Vorgaben sind ja gerade global entstanden. Vgl. z.B. die überzeugenden empirischen Befunde bei Willke für globale Probleme der Geldmärkte, denen ständig neue Aktionsmöglichkeiten noch vollkommen ungesteuert den Akteuren selbst ein Ärgernis sind und die darum versuchen, Regeln und Begrenzungen in gemeinsamen Aushandlungen mit nationalen und supranationalen Organen der Kontextsteuerung zu "erfinden".
Die Möglichkeiten, die ich in solchen virtuellen Räumen wie secondlife sehe, werden ja gerade noch nicht realisiert. Technisch böten sie aber durchaus die Möglichkeit, neue soziale Strukturen in der virtuellen Simulation zu testen, eben wie die open Source die Software durch ihre Benutzer optimiert. Natürlich sind das Visionen. Ob die Möglichkeiten so genutzt werden, oder ob sich eher die negativen Effekte (bloß Unterhaltung, bloß Geldverdienen) durchsetzen, wie sie momentan erst mal stattfinden, kann ich nicht sagen. Aber analog finde ich folgendes interessant: Zu Beginn von Web 1.0 bestand der Kontent des www zum größten Teil aus Sex, Werbung und Unterhaltung. Damals hat man auch nicht geglaubt, daß sich da mal ernsthafte Dinge abspielen würden, daß ganze Bibliotheken ins Netz gehen, daß kein Wissenschaftler mehr ohne online-Veröffentlichung auskommt, daß die Printmedien sich digitalisieren, daß soetwas wie Wikipedia zum potentesten und seriösesten Lexikon überhaupt wird ... Da denke ich, es könnte mit Web 2.0 auch so gehen, wenn erst mal der erste Quatsch mit YouTube und MySpace und Second Life vorüber ist und ernsthaften Dingen Platz macht. Anfangs waren die Blogs doch auch bloß trivialer Privatkram. Natürlich sind sie das zum Teil immer noch. Aber es ist eben auch das Ernsthafte dazugekommen. In den angelsächsischen Ländern hat jeder Wissenschaftler sein Blog, wo er seine Gedanken mit Kollegen austauscht. Ein Beispiel habe ich in meiner Blogroll: blog of proximal development. Das ist da ganz normal. Hier ja noch nicht.
Zwei Einwände
ich lese Ihr Weblog gerne und fand auch diesen Artikel interessant. Ob
die Delegitimation der alten Demokratien Fakt ist, darüber könnte man
streiten (meine Demokratieverständnis ist vermutlich stärker an
konstanten formalen Kriterien orientiert. Die Anerkennung dieser
Staatsform ist in meinen Augen deshalb eher ein praktisches Problem,
will man sie verteidigen), das möchte ich aber nicht, weil ich den
Grundtenor teile.
In zwei Punkten aber ich grundlegende Zweifel:
1.) Ich glaube das man Selbststeuerung nicht überschätzen sollte.
Probleme wie Kriminalität oder auch bildungspolitische Fragen sind
prädestiniert für lokale Governanz, Grundprobleme wie Arbeitslosigkeit,
Ungleichverteilung der Güter oder die Stabilität der sozialen
Versicherungssysteme lassen sich nicht lokal lösen.
2.) Ich teile die allgemeine Web 2.0-Euphorie nicht. Mir ist überhaupt
nicht einsichtig, in wie fern insbesondere die Beispiele
"Online-Roleplaying-Games" oder "Second Life" dazu geeignet sein sollen,
(neue) Demokratiemodelle *wirksam* zu trainieren. Das Web 2.0 gar zu einer
Vorbedingung zur Lösung der Krise der Demokratie zu stilisieren scheint mir
gewagt. Hier sind zuvorderst auch die staatlichen Bildungseinrichtungen
gefragt. Ich glaube, dass man mit Simulationen im Stile eines MUN oder
Ideen wie der Schule als Polis mehr bewirken kann.
Einwände
Die Möglichkeiten, die ich in solchen virtuellen Räumen wie secondlife sehe, werden ja gerade noch nicht realisiert. Technisch böten sie aber durchaus die Möglichkeit, neue soziale Strukturen in der virtuellen Simulation zu testen, eben wie die open Source die Software durch ihre Benutzer optimiert. Natürlich sind das Visionen. Ob die Möglichkeiten so genutzt werden, oder ob sich eher die negativen Effekte (bloß Unterhaltung, bloß Geldverdienen) durchsetzen, wie sie momentan erst mal stattfinden, kann ich nicht sagen. Aber analog finde ich folgendes interessant: Zu Beginn von Web 1.0 bestand der Kontent des www zum größten Teil aus Sex, Werbung und Unterhaltung. Damals hat man auch nicht geglaubt, daß sich da mal ernsthafte Dinge abspielen würden, daß ganze Bibliotheken ins Netz gehen, daß kein Wissenschaftler mehr ohne online-Veröffentlichung auskommt, daß die Printmedien sich digitalisieren, daß soetwas wie Wikipedia zum potentesten und seriösesten Lexikon überhaupt wird ... Da denke ich, es könnte mit Web 2.0 auch so gehen, wenn erst mal der erste Quatsch mit YouTube und MySpace und Second Life vorüber ist und ernsthaften Dingen Platz macht. Anfangs waren die Blogs doch auch bloß trivialer Privatkram. Natürlich sind sie das zum Teil immer noch. Aber es ist eben auch das Ernsthafte dazugekommen. In den angelsächsischen Ländern hat jeder Wissenschaftler sein Blog, wo er seine Gedanken mit Kollegen austauscht. Ein Beispiel habe ich in meiner Blogroll: blog of proximal development. Das ist da ganz normal. Hier ja noch nicht.