ADHS – Kinderkrankheit oder Schulproblem?
Aufmerksamkeitsstörungen, Mangel an Aggressionskontrolle und Hyperaktivität – kurz ADS und ADHS genannt - stellen die häufigsten Verhaltensauffälligkeiten bei Schulkindern dar. Kinder mit diesem Verhalten stören den Unterrichtsablauf, machen sich bei ihren Klassenkameraden durch "Nerven" unbeliebt und haben häufig Probleme mit Rechtschreibung und Rechnen. ADHS sowie massive Rechtschreib- und Rechenprobleme werden in der Regel wie Krankheiten behandelt. Meistens wissen die Lehrer nichts anderes, als diese Kinder zum Arzt zu schicken – die Kinderärzte wiederum wissen meistens nichts anderes, als ihnen Tabletten zu verordnen, über deren schädliche Nebenwirkungen auf das kindliche Gehirn überhaupt noch keine Langzeitstudien vorliegen können. Daß viele Pädiater mit ihrer biologisch-medizinischen Ausbildung auch nur eine biologisch-medizinische Antwort auf Verhaltens- und Lernprobleme haben, ist schlimm. Wenigstens könnte man bei ihnen das Verständnis dafür voraussetzen, daß sie für Verhalten und Lernen nicht zuständig sind. Aber man kann nicht. Umso wichtiger ist es für Lehrer zu wissen, daß die Medikamente zwar ruhigstellen – und so vielleicht eine Unterrichtsstörung beseitigen helfen –, aber überhaupt nichts an den Lernproblemen dieser Schüler ändern. Und umso wichtiger für Lehrer ist es, richtige Informationen über diese Lernstörungen und ihre mögliche Therapie zu bekommen, an denen sie ihren Umgang mit den Schülern und ihre Ratschläge an die Eltern orientieren können.
Zu dieser Orientierung für Lehrer - und natürlich auch für Eltern und Kinderärzte - empfehle ich das kürzlich erschienene Buch Lernprobleme: ADHS? der Hamburger Lerntherapeutin Dr. Margarete Liebrand. Sie hat ein anderes als das medizinische Verständnis von diesen Verhaltensproblemen. Zu Recht hält sie sie nämlich nicht für genetisch bedingte Hirnprobleme sondern für gelernte Lernprobleme, und sie hilft in ihrer lerntherapeutischen Praxis den betroffenen Kindern, Aufmerksamkeit und Denken zu erlernen. In ihrem Buch findet man die Erfolge und zugleich einige überaus aufschlußreiche und beeindruckende Fallgeschichten ihrer Arbeit mit den Kindern dokumentiert und analytisch kommentiert. In einem kürzeren zweiten Teil ihres Buches stellt Liebrand den lerntheoretischen Ansatz vor, auf dessen Hintergrund sie arbeitet. Davon sei hier nur eine zentrale Einsicht zitiert: "Nach der Auffassung der tätigkeitstheoretisch orientierten Psychologie, die sich mit den Werken von Wygotski, Leontjew und Luria verbindet, sind Entwicklung und Lernen das Produkt der psychischen Systeme, wie Aufmerksamkeit, Emotionen und Motive, die die Umweltaneignung ermöglichen und die sich zugleich in dieser Aneignung bilden" (S. 245, Hervorhebung LR). Das aber bedeutet, daß nichts am individuellen aktuell gezeigten Verhalten oder an möglichen oder aktuell sichtbaren Lernfähigkeiten biologisch vorgegeben ist. Und das bedeutet weiter, daß Lern- und Verhaltensprobleme durch Lernen unter adäquaten Bedingungen gelöst werden können. Daß dies nicht nur Behauptung und theoretische Annahme ist, zeigen die praktischen Erfolge der lerntherapeutischen Arbeit Liebrands.
Man wünscht sich auch für die "normalen" Nicht-ADHS-Kinder die Schule und die Lehrer, die dieses wissenschaftliche Verständnis vom Lernen haben. Denn auch ihnen könnte es nützen. Vielleicht lernen sie ja nur deshalb in der Schule besser, weil sie trotz der Fehler, die die Schule beim Lehren macht, in der Lage sind, das Wichtigste zu begreifen? Und vielleicht könnten sie ja noch viel erfolgreicher lernen, wenn die Schule beachten würde, was Margarete Liebrand bei ihrem Unterricht beachtet? Aus den Fallgeschichten wird dem Leser jedenfalls deutlich, daß die Lernprobleme nicht von den Gehirnen der Problemschüler verursacht wurden.
In einem kurzen Aufsatz hat Margarete Liebrand ihre Auffassung des Aufmerksamkeitsproblems dargelegt: Phaenomen-Aufmerksamkeitsstoerungen (pdf, 103 KB)
Zu dieser Orientierung für Lehrer - und natürlich auch für Eltern und Kinderärzte - empfehle ich das kürzlich erschienene Buch Lernprobleme: ADHS? der Hamburger Lerntherapeutin Dr. Margarete Liebrand. Sie hat ein anderes als das medizinische Verständnis von diesen Verhaltensproblemen. Zu Recht hält sie sie nämlich nicht für genetisch bedingte Hirnprobleme sondern für gelernte Lernprobleme, und sie hilft in ihrer lerntherapeutischen Praxis den betroffenen Kindern, Aufmerksamkeit und Denken zu erlernen. In ihrem Buch findet man die Erfolge und zugleich einige überaus aufschlußreiche und beeindruckende Fallgeschichten ihrer Arbeit mit den Kindern dokumentiert und analytisch kommentiert. In einem kürzeren zweiten Teil ihres Buches stellt Liebrand den lerntheoretischen Ansatz vor, auf dessen Hintergrund sie arbeitet. Davon sei hier nur eine zentrale Einsicht zitiert: "Nach der Auffassung der tätigkeitstheoretisch orientierten Psychologie, die sich mit den Werken von Wygotski, Leontjew und Luria verbindet, sind Entwicklung und Lernen das Produkt der psychischen Systeme, wie Aufmerksamkeit, Emotionen und Motive, die die Umweltaneignung ermöglichen und die sich zugleich in dieser Aneignung bilden" (S. 245, Hervorhebung LR). Das aber bedeutet, daß nichts am individuellen aktuell gezeigten Verhalten oder an möglichen oder aktuell sichtbaren Lernfähigkeiten biologisch vorgegeben ist. Und das bedeutet weiter, daß Lern- und Verhaltensprobleme durch Lernen unter adäquaten Bedingungen gelöst werden können. Daß dies nicht nur Behauptung und theoretische Annahme ist, zeigen die praktischen Erfolge der lerntherapeutischen Arbeit Liebrands.
Man wünscht sich auch für die "normalen" Nicht-ADHS-Kinder die Schule und die Lehrer, die dieses wissenschaftliche Verständnis vom Lernen haben. Denn auch ihnen könnte es nützen. Vielleicht lernen sie ja nur deshalb in der Schule besser, weil sie trotz der Fehler, die die Schule beim Lehren macht, in der Lage sind, das Wichtigste zu begreifen? Und vielleicht könnten sie ja noch viel erfolgreicher lernen, wenn die Schule beachten würde, was Margarete Liebrand bei ihrem Unterricht beachtet? Aus den Fallgeschichten wird dem Leser jedenfalls deutlich, daß die Lernprobleme nicht von den Gehirnen der Problemschüler verursacht wurden.
In einem kurzen Aufsatz hat Margarete Liebrand ihre Auffassung des Aufmerksamkeitsproblems dargelegt: Phaenomen-Aufmerksamkeitsstoerungen (pdf, 103 KB)
Lisa Rosa - 3. Apr, 13:24
Thema verfehlt, 6, setzen
Im Tonfall vergriffen - nachlernen!
Ich geh mal genauer drauf ein:
"als ihnen Tabletten zu verordnen, über deren schädliche Nebenwirkungen auf das kindliche Gehirn überhaupt noch keine Langzeitstudien vorliegen können."
Woher weißt du, dass es schädliche Nebenwirkungen gibt, wenn es ja eben noch keine Langzeitstudien gegeben hat?
"Zu Recht hält sie sie nämlich nicht für genetisch bedingte Hirnprobleme sondern für gelernte Lernprobleme, und sie hilft in ihrer lerntherapeutischen Praxis den betroffenen Kindern, Aufmerksamkeit und Denken zu erlernen."
Komma weil? In einem Buch von Helga Simchen wird sogar aufgezählt, welche Gene dafür verantwortlich sind. Methylphenidat (MPH) wirkt bei ADHS ungefähr so: http://de.wikipedia.org/wiki/Methylphenidat-Hydrochlorid#Hypothesen_zur_Wirkung_bei_ADHS
Genaues weiß man nicht, ich halte die letzten beiden Absätze für plausibel.
"Und das bedeutet weiter, daß Lern- und Verhaltensprobleme durch Lernen unter adäquaten Bedingungen gelöst werden können."
Du hast noch nie mit ADHS Kindern gearbeitet, oder? Es ist möglich, aber nur sehr bedingt. Ich habe jahrelang den Ausgleich durch die oft mit ADHS auftretende Hochbegabung halten können, seit einem Jahr nehme ich aber auch Medikamente - die Pubertät lässt das ADHS ausgeprägter werden. Ich selber habe ehrlich gesagt nichts großes bemerkt, als ich das Medikament hatte, aber meine Schwestern: "Was ist denn mit C. los? Der ist ja in letzter Zeit so ruhig und streitet gar nicht mehr!" sowie mein Erdkunde-Lehrer (ich hab MPH zum ersten mal in den Herbstferien bekommen): "Ja, vor den Ferien hab ich ja gedacht, das wird nichts mit dem C., da kommt null. Aber seit den Ferien kommt er langsam, sogar im mündlichen, wo er letztes Jahr auch nicht so gut war."
Wenn ich das richtig erkenne, vertrittst du die Auffassung, dass ADHS ein Erziehungsfehler ist. Dazu würd ich ja mal gerne von dir wissen...
1. ...worin der Erziehungsfehler konkret besteht (immerhin haben 2-6% aller Jugendlichen ADHS, das muss ja eine weit verbreitete Ansicht sein).
2. ...warum MPH bei ADHS Kindern wirkt, beim Rest der Bevölkerung aber keine Besserung der Konzentration bringt.
In ein bzw. zwei Punkten muss ich dir zustimmen, ich zitiere aus meinem Blog:
"Ich kriege jedenfalls die Krätze, wenn das Schulsystem Leute pathologisiert, diskriminiert und aussortiert und gar nicht erkennt, dass sie Talente und Potenzial (manchmal vielleicht sogar mehr als ihre ignoranten Lehrer) haben. Dann ist die Schule eine Lernverhinderungsanstalt - leider nicht selten!"
Ich habe sowas am Beispiel meiner Schwester mitbekommen. Sie ist noch in der Grundschule, in der 4. Klasse, besucht inzwischen die 3. Grundschule.
Ja, ADHSler haben Potenziale. Aber nur, wenn man sie fördert. Richtig fördert, ihnen das Medikament verabreicht, sodass sie sich besser konzentrieren können.
Du solltest dir Zeit nehmen, und dir diese Doku anschauen: http://www.adhs-anderswelt.de/index.php?topic=25016.msg335117#msg335117
Grüße,
Hugelgupf
Diagnosen
ich verstehe Margarete Liebrands Ansatz nicht so, dass ADHS und ADS alle bloß mit Lerntherapie glücklich werden können. Sie geht aber davon aus, dass die vielen ADS/ADHS-Diagnosen, die von Pädiatern den "Zappelphilipps" schnell verpasst und dann ebenso schnell die Medikation mit Ritalin verpasst werden, zum großen Teil gar nicht berechtigt sind. Sie stellt diese großzügige Zuschreibung von unangepasstem Verhalten als Symptome einer Krankheit für immer größere Teile der Kinder- u. Jugendgeneration in Frage. Lehrer sind sofort dabei, Kinder, die nicht stillsitzen, die laut sind und Mühe haben, sich an die Schulregeln zu halten, die schwer bei einer verordneten Beschäftigung zu halten sind und schlecht rechnen und rechtschreiben lernen, zum Kinderarzt zu schicken, die sie dann schnell mit dem Etikett ADS/ADHS versehen. Dabei kann es sooo viele andere Gründe dafür geben, warum sich Kinder wie oben beschrieben verhalten. Die Ansage in Dem von Dir empfohlenen Video, daß 5 Prozent aller Kinder ADS haben, finde ich nicht plausibel. 5 Prozent sind eine Menge. Keine andere Krankheit hat solche Raten. Da stimmt etwas nicht. Es sei denn, man läßt Definitionen zu, die Krankheit auch als etwas Soziales sehen. Zu etwas, was soziale Ursachen hat, passt aber kein Medikament - dazu passt entsprechend auch eine soziale Antwort: Kommunikation. Oder anders: Lerntherapie.
1. 5% != 2-6% - Zahlen hab ich von hier: http://www.mehr-vom-tag.de/bgdisplay.jhtml?itemname=g_wer_ist_betroffen
2. Sicher gibt es eine Menge falsche Diagnosen. Die gibt es immer. Bei ADHS wahrscheinlich mehr als im Durchschnitt. Du schreibst nur was von Zappelphilippen - was ist mit den hypoaktiven ADHSlern? - "Träumerle" wäre der passende vergleichbare Ausdruck gegenüber "Zappelphilipp".
Zudem glauben die meisten Lehrer gar nicht, dass es ADHS gibt. Deshalb kann auch deine Theorie, dass alle Lehrer unruhige Kinder zur Diagnose schicken, nicht stimmen. Genauso ist es bei Ärzten: Auch dort gibt es viele, die nicht an die Existenz von ADHS glauben.
Ich habe das Buch nicht gelesen - ich habe meine Infos aus deinem Text gezogen.
#1
"Sie hat ein anderes als das medizinische Verständnis von diesen Verhaltensproblemen. Zu Recht hält sie sie nämlich nicht für genetisch bedingte Hirnprobleme sondern für gelernte Lernprobleme, und sie hilft in ihrer lerntherapeutischen Praxis den betroffenen Kindern, Aufmerksamkeit und Denken zu erlernen."
#2
"Das aber bedeutet, daß nichts am individuellen aktuell gezeigten Verhalten oder an möglichen oder aktuell sichtbaren Lernfähigkeiten biologisch vorgegeben ist."
Daraus ziehe ich, dass diese Margarete Liebrand glaubt, dass ADHS nicht existiert.
"gelernte Lernprobleme" => ist zum einen Widersprüchlich (man verlernt das lernen?), zum anderen sagt es aus, dass es anerzogen ist. Denn von wem lernen die Kinder? Genau, von ihren Eltern.
"Man wünscht sich auch für die "normalen" Nicht-ADHS-Kinder die Schule und die Lehrer, die dieses wissenschaftliche Verständnis vom Lernen haben."
Wenn die Lehrer die gleiche Meinung haben wie Margarete Liebrand: Nein. Das wünscht sich niemand. Nur die Leute, die nicht an die Existenz von ADHS glauben.
Übrigens: Die Lernprobleme sind auf jeden Fall ADHS-bedingt. ADHS - der Name sagt es doch schon: Aufmerksamkeitsdefizit (Hyperaktivitäts-) Störung - die Kinder können sich nicht konzentrieren.
Nicht nur die Kinder - ADHS gibt es auch bei Erwachsenen. Das nur am Rande.
zu Winkler - ADHS und Quacksalber
Gott sei Dank - der weiß aber auch, dass die Rahmenbedingungen stimmen
müssen. Ich habe die Autorin so verstandenden, dass sie keineswegs ADHS
leugnet, aber sie zeigt Lösungswege auf, ganz konkrete. Sollte man sich damit
nicht mal auseinandersetzen?
Aufmerksamkeit vielleicht nicht - aber ADHS hat aber was mit Genen zu tun. Und hat auch keineswegs "nur" Konzentrationsstörungen zur Folge. Ich werde das Buch mit Sicherheit nicht lesen. Ich habe den Text da oben aber so verstanden, dass die Autorin (damit ist jetzt Liebrand gemeint...) ADHS als Erziehungsfehler wertet.