Die Gegenwart der Vergangenheit

Sonntag, 25. Juni 2006

Das Geheimnis, zweiter Teil

Endlich mal was Gescheites zum Thema Nationalfahnenschwenkerei:

Klaus Hurrelmann, Bielefeld - oder war es nun Klaus Boehnke, Bremen? - das ist etwas unklar, aber nicht so wichtig, dafür ist wichtig, daß die Einschätzung richtig:
via amazemans journal (Rechtschreibung bereinigt):

"Also ich würde garnicht mal das Argument bemühen, daß Deutschland ein schwieriges Vaterland ist, dem man sich nicht wirklich mit der Nationalfahne irgendwie präsentieren sollte.
Was mir als wichtiger erscheint ist, daß diese nationale Symbolik ja etwas aus meiner Sicht völlig Altmodisches ist. Nation und Patriotismus und Schwarz, Rot, Gold ist etwas, das kommt aus dem 19. Jahrhundert, und hier wird einfach so getan, als würde es taugen für das 21. Jahrhundert, und in diesem Sinne wird Rückbesinnung verlangt. Und das kann eigentlich nicht stimmen - wir können uns nicht auf etwas rückbesinnen, das im 19. Jahrhundert hervorgebracht wurde."


Und hinzuzufügen wäre: Wir wollen und dürfen uns auch nicht auf etwas rückbeziehen, was wir im 21. Jahrhundert, in dem es mit der Bedeutung des Nationalstaats rasant zuende geht, nicht nur nicht mehr gebrauchen können, sondern was uns auch am Erwerb von Zukunftsfähigkeit behindert.

Im Gegensatz dazu stimmt die Freude über die "Normalität" nationalstaatlicher Gefühlswelten der Linken, die Gysi als Vertreter der nationalen Linken befällt, eher traurig. Zeigt das doch, daß diese Linke nicht Avantgarde, sondern Nachhut ist:

"Die Konservativen haben Deutschland immer als eine Nation verstanden, zu der zumindest bestimmte Linke nicht dazugehören. Diese Linken haben das irgendwann akzeptiert und sich nur noch außerhalb und gegen die Nation definiert. Das war zwar verständlich, aber ein Fehler. Eine Linke mit einem so gestörten Verhältnis zur Nation kann natürlich nie mehrheitsfähig werden. Eine Nation, die man nicht will, kann man nicht führen. Da ist ein Widerspruch im Kopf und ein Widerspruch im Herzen."

Na gut, Nachhut hat auch ihre Funktion und wird gebraucht. Allerdings hat "die Linke" eigentlich andere Aufgaben. Und wer übernimmt diese jetzt?

Mittwoch, 8. März 2006

'Was "wir" nie sagen durften ...'

Bei Thomas Immanuel Steinberg heute entdeckt:
"Helmut Kohl soll dem iranischen Präsidenten Achmadi Nedschad beigepflichtet haben: Der Holocaust sei ein Mythos.
Iran Focus meldet, der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl habe Geschäftsleuten in Deutschland erzählt, er stimme mit Erklärungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadi Neschdad überein: Der Holocaust sei ein Mythos. Das habe die halb-offizielle Tageszeitung Jomhouri Islami am Montag, dem 6. März 2006 berichtet, die auf Farsi erscheint. Iran Focus ist ein westlich orientierter englisch- und französisch-sprachiger Internetauftritt. Die regierungseigene Jomhouri Islami behaupte, so Iran Focus, Kohl habe sich bei einem Gala-Diner mit iranischen Hoteliers und Unternehmern für „herzlich einig“ mit Ahmadi Nedschad erklärt. „Was Ahmadi Nehdschad über den Holocaust gesagt hat, war in unserer Brust... Seit Jahren wollten wir das sagen, aber wir hatten nicht den Mut, es auszusprechen.“"

weiter bei SteinbergRecherche

Montag, 28. November 2005

Empörende Kontinuität

Die BRD - pardon: Deutschland! - hat sowohl Diskontinuität als auch Kontinuität zu ihrer - seiner - Vorgängergesellschaft, dem Deutschen Reich Nr. 3 - sprich der NS-Gesellschaft. Hartnäckig scheinen sich die Kontinuitäts-Aspekte vor allem in der Bundeswehr zu erhalten, bzw. im Umgang mit dem Erbe der Deutschen Wehrmacht - konkret: im Bundesbesoldungsgesetz vom März 1992.
Einen Bericht über ungeheuerliche Identifikations-Praxis mit der NS-Armee kann man in der aktuellen Zeit lesen - leider mal wieder nicht online -: In der Ausgabe Nr. 48, S. 21 ist eine gekürzte Fassung des Artikels "Die Braunlage" von Daniela Dahn abgedruckt, der im Kursbuch Nr. 162 "Ritter, Tod und Teufel" heute erschienen ist.
Darin wird z.B. aufgedeckt,
  • daß "militärische Ehren (etwa bei Begräbnissen) neben Bundeswehrangehörigen auch ehemaligen Berufssoldaten der Deutschen Wehrmacht, der Reichswehr und der Armeen und der Marine des Kaiserreichs zustehen, nicht aber einstigen NVA-Angehörigen", es sei denn, sie hätten vorher auch in der Wehrmacht gedient
  • daß "nach wie vor geächtet sind diejenigen Militärs, die zu den Partisanen, zur Résistance oder zu den Truppen der Alliierten übergelaufen sind, die die Zivilbevölkerung gewarnt oder gar die eigenen Soldaten über die Lautsprecher des Nationalkomitees Freies Deutschland aufgefordert haben, ihre Waffen gegen Hitler zu richten, wie etwa Graf Heinrich Einsiedel. Sie alle gelten bis heute als Kriegsverräter. Ihre Jahre im Widerstand werden nicht auf die Rente angerechnet."
  • daß "das Bundesbesoldungsgesetz vom März 1992 (...) alle öffentlich-rechtlichen Dienstherren in Nazideutschland und in den besetzten Gebieten gemäß Art. 131 des GG weiterhin als rentenrelevant an(erkennt), während 'systemnahe' DDR-Angestellte Abstriche bei der Rentenberechnung hinzunehmen haben. So wurde einem Dozenten einer Ingenieur-Fachschule mitgeteilt, dass seine DDR-Rente von 1200 Mark eingefroren werde, bis überprüft sei, ob sie auf 'Unrechtsentgelten' beruhe. Er bekam zunächst nur eine Anhebung um etwa 100 Mark. 1994 erfolgte die Neuberechnung nach dem Sozialgesetzbuch VI. Nun holte der Ingenieur seine Vergangenheit als junger Ministerialbeamter in Görings Luftfahrtministerium ein. Den alten Mann traf fast der Schlag, aber vor Freude: Die monatliche Rente betrug nun 4997 Mark, und obendrein gab es auch noch eine Nachzahlung von 149 900 Mark."
Wie war das? Wir sind ein Vorbild für die Welt in der "Vergangenheitsbewältigung"? Das möchten wir wohl gerne! Und gerne läßt sich die Öffentlichkeit dieses auch noch mit jüdischem Siegel versehen, denn dann gilt es besonders und wäscht die Weste so weiß, weißer gehts nicht. Vielleicht sollte man Daniel J. Goldhagen und Avi Primor, deren Persilscheine für die geläuterte bundesdeutsche Gesellschaft immer gern genommen und zitiert werden, doch mal den Aufsatz von Daniela Dahn zukommen lassen, damit sie mit der Scheinvergabe etwas vorsichtiger werden.

Der ZEIT immerhin ist dieser Vorabdruck hoch anzurechnen. Und als optimistischer Pessimist hoffe ich mal wieder, daß es etwas bewirkt - nämlich einen entsetzten Aufschrei in der Öffentlichkeit, die auf sofortige Gesetzesänderungen dringt. (Aber womöglich verhalte ich mich damit auch nur wie Goldhagen und Primor - man kann es einfach nicht lassen mit dem Glauben an das Gute im Deutschland.)

Du bist Deutschland - Bundesbesoldungsgesetz vom März 1992!

Donnerstag, 2. Juni 2005

60 Jahre

Die bisher beste KURZE ÜBERSICHT über die Geschichte der deutschen Vergangenheitsdebatte gibt es kostenlos auf der Website der "Blätter für deutsche und internationale Politik": Niederlage, Befreiung oder Sieg. Der 8. Mai im Spiegel seiner Jubiläen, von Gerd Wiegel. Zum Schuppen-von-den-Augen-Fallen für alle, die sich aus Zeit- oder Euromangel den Norbert Frei (s. Sidebar Bücher) nicht leisten dürfen zu erlauben können möchten.
Der Wiegel war im Maiheft der Blätter. Die Juni-Ausgabe ist so voll von interessanten Beiträgen zur Hilflosigkeit der Linken wg. Globalisierung und "dürftigen Geschichtsbewußtseins" (Norman Birnbaum), zu Europa und Holocaust-Gedenk- und ebenso Schlußstrichpolitik, daß wer jetzt keinen hat, sich schleunigst einen Fortbildungsurlaub nehmen sollte. Und wenn das geklappt hat, dann geht auch der Götz Aly.
Bild: Ivan Montero / fotolia

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