Sonntag, 22. Januar 2006

falsche Kinder - richtige Kinder

Ach, jetzt ist es heraus! Wir haben nicht zu wenige Kinder in Deutschland - wir haben zu wenig von den richtigen! Die richtigen Kinder - die guten - das sind deutsche Kinder, ethnisch deutsche Kinder. Aber das reicht nicht, um ein gesellschaftlich erwünschtes Kind zu sein. Nahain! Das gute (Du bist Deutschland-) Kind muß außerdem ein "Mittelstandskind" sein. Denn sonst gibt es nicht viel Elterngeld. Und noch was ist wichtig für ein Kind zu wissen, wenn es ein für Deutschland gutes und in Deutschland erwünschtes Kind werden will: Es muß zwei Eltern zu Hause haben, die Arbeit haben. Denn sonst gibt es die Steuervorteile nicht. Man kann sich seine Eltern ja nicht vorsichtig genug aussuchen! Also denk daran, Kind, wo du hinkommst, denn wenn du die falsche Wahl triffst, wenn du versehentlich an eine Alleinerziehende, an Arbeitslose, in die"Unterschicht" und - Gottbehüte! - an Immigranten als Eltern gerätst - dann wäre es vielleicht besser, du würdest überhaupt nicht in dieses Land geraten. Denn der deutsche "Mittelstand" stirbt aus. Und der ist Deutschland, denn er ist Leistungsträger und sein Nachwuchs wird Rentenzahler. Und darauf kommt es an. Und drum richtet sich jetzt alle Familienpolitik und Demografiepolitik auf diesen "Mittelstand".

Susanne Gaschke findet das im Leitartikel der Zeit ja vollkommen in Ordnung. Zwar fließt ihr folgende Information mühelos aus der Feder:
"Statistisch ist es unbestreitbar: Die sozial Schwächeren bekommen nach wie vor Kinder; die Stärkeren, die es durch ihre Bildung und ihr Einkommen oft leichter hätten, ihrem Nachwuchs gute Startchancen zu geben, halten sich zurück."
Aber weil sie wie üblich die beiden zusammengehörenden Bereiche Bildungspolitik und "Demografisches Problem" nicht zusammendenken kann, fällt ihr an ihrem eigenen Satz gar nicht auf, was sie da Verrücktes denkt: Nämlich, daß es offenbar falsche und richtige Kinder für Deutschland gibt. (Auch früher hatte man das schon so gesehen und darum zwischenzeitlich den "Assozialen" das Gebären verboten und den Lebensborn für die "richtigen" erfunden.)
Und noch etwas springt ins Auge: Susanne Gaschke denkt, daß die Eltern in einer Gesellschaft allein für die "Startchancen" ihrer Kinder zuständig sind. Und vermutlich denkt sie auch, daß kluge, gebildete und leistungsstarke Erwachsene eben nur aus Kindern werden können, die ihrerseits kluge, gebildete und leistungsstarke Eltern hatten. Und daß das naturgegeben eben so ist. Und daß es keine Möglichkeit gibt, aus den vielen Kindern, die es bei uns in den "sozial schwachen" Familien gibt, noch kluge, gebildete und leistungsstarke Erwachsene zu machen. Wohlgemerkt: Diese Kinder existieren - es sind mehr als 20 Prozent der Kinder, die es schon gibt!! Aber, wie gesagt, es sind anscheinend die falschen, und offenbar bleiben sie es, und drum bringen sie nichts. Und das ist nicht gut. Und drum begrüßt Susanne Gaschke die Familienpolitik der Regierung, denn die will die guten Eltern mit ordentlich Geld zum Gutekinderkriegen verführen.

Wäre das toll, wenn das Geld, mit dem die Regierung die arbeitenden Mittelstandspaare zum Richtigekinderkriegen einkaufen will, in das Bildungssystem gesteckt würde, das geeignet ist, alle Kinder, die schon da sind, zu klugen, gebildeten und leistungsstarken Erwachsenen zu machen! Und das würde nicht einmal mehr kosten als das Schmiergeld, das dem Mittelstand fürs Gebären bezahlt werden soll. Man muß nur besser rechnen können als ein Milchmädchen. Das ist klar. Dabei müßte man sich das neue Bildungssystem noch nicht mal selber ausdenken! Nein, es würde schon reichen, wenn man endlich mit der Legende Schluß machte, die da heißt: Finnland schön und gut, aber wir sind eben nicht Finnland, und bei uns geht das nicht.
Nein, das stimmt. Wenn man es nicht will, dann geht es auch nicht.

Ergänzung: Beim Spielverderber
kann man sich die alternativen Zukunftsmöglichkeiten ansehen ...
Bild: Ivan Montero / fotolia

shift.

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