Mittwoch, 1. Februar 2006

Evaluation und Feedback

Evaluation ist das Lieblingswort der Schulentwickler geworden. Richtig: Man muß den Stand einer Sache kennen, wenn man sie weiterentwickeln will. Man muß herausfinden, was schief läuft, und warum, wenn man Hindernisse für eine positive Entwicklung aus dem Weg räumen möchte.
Nun ist es vom Testen dessen, was bei den Schülern nach erfolgtem Unterricht an Leistung "hinten rauskommt", noch ein weiter Weg bis zum Auffinden der Ursachen für die schlechten Leistungen der deutschen Schüler, und erst Recht bis zum Auffinden und Einsetzen der richtigen Lösungen zur Beseitigung dieser Ursachen.

Inzwischen ist man wenigstens soweit, daß auch dem Schüler das Wort zur Sache erteilt werden soll. Schülerfeedback hat bei uns allerdings keine Tradition. Und so kommt dieses für Schulqualitätsmessung unverzichtbare Instrument erst neuerdings ganz vorsichtig in der Praxis an - zunächst begrenzt auf direktes Feedback zum Unterricht und zum Lehrer. Einige schon etwas ausgebildetere Modelle zum Schülerfeedback, die nicht nur den einzelnen Unterricht, sondern darüberhinaus auch das Schulleben insgesamt betreffen, findet man z.B. hier oder im Otto-Nagel-Gymnasium
Diese Schule praktiziert außerdem die Aushandlungsrunde / Schüler-Eltern-Lehrer-Forum, ein Demokratie-Instrument, das auch als Bestandteil des Schulprogramms festgeschrieben ist. Das SELF ist ein gemeinsames Forum für Schüler, Lehrer und Eltern, das "Probleme erfasst und durchdenkt, nach Lösungsansätzen sucht und diese in den entsprechenden Gremien einbringt. Ergebnis dieser Arbeit sind der digitalisierte Fragebogen für Lehrer und Schüler zur Unterrichtsevaluation, Weiterbildungsveranstaltungen für die Schülersprecher, die Umstrukturierung der Schülervertretung, die Veränderung der Pausenzeiten, die Einrichtung eines Kümmerkastens für die Eltern und das Projekt "Schüler unterrichten Schüler"".

Die Feedbacksoftware, die von Schülern der Otto-Nagel-Schule entwickelt wurde, kann unter der Telefonnummer Tel: 030/5143864 nachgefragt werden.

Wie halten es eigentlich die Finnen, die Sieger der PISA-Evaluation mit Evaluation und Feedback?

"Das finnische Schulsystem ist durchdemokratisiert" nannte Pekka Arinen, Projektmanager des Evalutionszentrums für Bildung der Universität Helsinki
in seinem Vortrag (ppt, 146 KB) im Finnlandinstitut in Berlin am 25.11.2005
als den ersten Grund für den Erfolg der finnischen Schüler. Dazu gehört, daß sich jede Schule jedes Jahr neu selbst evaluiert. (Dafür wurde die Schulinsprektion – die bei uns nun gerade erst Recht eingerichtet wird – als überflüssig, ja kontraproduktiv erachtet und abgeschafft.) Die Schule – das ist die Schulcommunity, - führt also die Evaluation unter und mit Schülern, Lehrern und Eltern anhand hoch ausdifferenzierter Fragebögen durch, die nicht nur die Qualität des Unterrichts, sondern die des gesamten Schullebens betreffen. Dass es sich dabei nicht um unhistorische, punktuelle Feedbacks ohne Nachhaltigkeit handelt, kann man z.B. an folgender Frage aus dem Schülerbogen erkennen: "Hat sich der Lehrer aufgrund der Kritik aus dem letzten Feedback verbessert?"
Für eine maximale Wirkung auf nationaler Ebene werden sie im Evaluationsrat wissenschaftlich ausgewertet, deren Mitglieder neben renommierten Erziehungswissenschaftlern aus allen am Erziehungsprozess direkt oder indirekt beteiligten Gruppen bestehen.

Das Geheimnis für den Erfolg des finnischen Schulwesens:
Ein radikaler Systemwechsel (ppt, 208 KB) zu Beginn der 90er Jahre von dem bis dahin auch in Finnland geltenden traditionellen, dreigliedrigen aus Preußen stammenden Schulsystem der zentralisierten externen Entscheidungen und Kontrollen zu dem selbst bestimmten, sich selbst steuernden und sich selbst evaluierenden System, das es heute ist. Dieser radikale Systemwandel ist ein mindestens zehnjähriger Prozess gewesen und bis heute nicht abgeschlossen. Aber er hat nur stattgefunden, weil er seinerzeit als radikaler Wandel beschlossen wurde. Radikal, das gesamte nationale Bildungssystem umfassend, geplant und in allen seinen vielleicht auch schwierigen Konsequenzen gewollt und durchgeführt.

Beim Mittagessen traf ich einen Kollegen, der sich mit dem hiesigen Geschäft der Schulentwicklung gut auskennt. Ich fragte ihn, warum denn die deutschen Entwickler, wenn sie denn überhaupt aus ihrem Land und nicht bloß aus ihrem Bundesland herausschauen wollen, immer so gerne in die Schweiz und nach Österreich als Vorbilder gucken. Liegt das daran, daß sie des Englischen nicht mächtig sind?
Nein, sagt er, das liegt daran, daß die beste Lösung, nämlich die aus Skandinavien, einen so fundamentalen Wandel erfordert, davor fürchtet man sich, denn es könnte Konsequenzen haben und weh tun. Drum nimmt man lieber die nächstbesten Lösungen, wo man nicht so viel verändern muß und das meiste beim Alten bleiben kann.

Tja, dann werden wohl auch die Schülerleistungen beim Alten bleiben.
Bild: Ivan Montero / fotolia

shift.

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