Mittwoch, 26. Oktober 2005

Demokratische Schule

Prof. Wolfgang Edelstein (rechts) im Gespräch mit Reinhard Kahl am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung Hamburg: "Für eine Schule der Inklusion aller müssen Sie sich Verbündete suchen - alleine kämpfen ist absolut tödlich."

prof. wolfgang edelstein

Freitag, 21. Oktober 2005

Keine Gnade für anachronistische Bildungspolitik

Mal wieder ist der Bildungsnotstand Aufmacher in der ZEIT, und das ist gut so. Was erzählen uns die meisten Medien denn immer, die Bildung sei ein "weiches" Politikthema, und daß die CDU das Bildungsressort in der Koalition hätte, sei politisch nicht viel wert? - So ein Quatsch! Die sture Fortsetzung des deutschen selektiven Schulsystems - wider alles empirische nationale und internationale Wissen - ist ja wohl das Härteste überhaupt!
Und was erfahren wir heute von Martin Spiewak und Jörg Lau? Eltern und Lehrer bekämpfen sich aufs Schärfste. Lau fordert "Gnade für die Pauker" und Vertrauen der Eltern. Na klar, das ist ja richtig. Richtig ist auch - damit sind wir in Spiewaks Artikel -, daß die Lehrer auf vieles, was die Schülerrealität bietet, nicht angemessen antworten können, z.B. stellt er fest: "Noch immer geht die Schule von Schülern aus, die zu Hause sowohl lernen, Deutsch zu sprechen als auch stillzusitzen. Das jedoch ist häufig nicht mehr der Fall. Auf diese soziale Veränderung sind Lehrer häufig nicht eingestellt."
Mein lieber Herr Spiewak: Mit diesem Satz können Sie den neuen "deutschen Klassenkampf" , wie Sie das nennen, wunderbar anheizen! Denn es klingt danach, als wäre es bloß eine Frage der persönlichen Einstellung, der individuellen Kompetenz des einzelnen Lehrers, dieses Problem - und es ist ja eines der größten - in Ordnung zu bringen. Und genau das ist die Vorstellung, die Eltern dazu bringt, von "ihrem" Lehrer ganz persönlich die Lösung aller Widersprüche des anachronistischen Bildungssystems zu erwarten, ja aggressiv zu fordern. "Der Lehrer wird zum Angeklagten" - richtig und bedauerlich, Herr Lau. Aber er braucht keine Gnade, und schon gar nicht, wenn er ein "Pauker" ist. Die Lehrer brauchen Hilfe, und zwar von den Eltern. Ich meine hier nicht die Hausaufgabenhilfe (sehr gut übrigens das Interview dazu mit Ulrich Trautwein: "Die beste Hilfe ist gar keine Hilfe" in derselben Ausgabe!). Ich meine, daß es hier nötig gewesen wäre, dazu aufzurufen, daß Eltern, Lehrer und Schüler zusammenarbeiten müssen, um ihre Schule zu erneuern. Es kann doch nicht wahr sein, daß man sich hier seitenweise am Eltern-gegen-Lehrer-Kampf delektiert und so tut, als habe das alles gar nichts mit Politik zu tun! Die meisten Lehrer wären gerne gute Lehrer - was denn sonst? - wenn sie es denn dürften! Viele Lehrer, die tatsächlich für die Kinder gut sind, sind es nämlich nicht im Sinne der Strukturen und Vorschriften, denn diese müssen sie, um für die Kinder gut zu sein, ständig unterlaufen, umgehen, beugen. Es ist natürlich nicht jedermanns Sache, die damit einhergenden Konflikte auszuhalten. Schon gar nicht die mit dem Arbeitgeber. Verständlich. Und so haben die Lehrer keine Chance: Sie können allenfalls entscheiden, mit wem sie den Konflikt haben wollen: Mit den Schülern, mit den Kollegen und Vorgesetzten oder mit sich selbst. Und das bleibt solange so, bis Eltern, Lehrer und Schüler die Abschaffung des selektiven Schulwesens gemeinsam erzwungen haben und zusammen ihre Schule umgestaltet haben zu einer zeitgemäßen Schule. Also, Kollegen von der ZEIT: Das war wohl nix. Nochmal machen, oder andere ran lassen!

Donnerstag, 20. Oktober 2005

Buchempfehlung

Rudolf Leiprecht, Anne Kerber (Hrsg.), Schule in der Einwanderungsgesellschaft. Ein Handbuch, Wochenschau Verlag 2005, 480 Seiten, 34,80 Euro

Wie: 480 Seiten lesen? Welcher Lehrer hat denn dafür Zeit, wo ihm doch das tägliche Unterrichts- und Korrekturgeschäft bis zum Halse steht?
Warum es trotzdem sinnvoll ist, sich für dieses Buch Zeit zu nehmen, erhellt das Editorial der Herausgeber, das die Bundesrepublik Deutschland als eine „pluriforme Einwanderungsgesellschaft“ charakterisiert, der gegenüber das deutsche Bildungssystem in so „erhebliche(r) Schieflage“ steht (9), dass jeder Lehrer Probleme damit haben muß, diese in seiner Praxis auszugleichen. Genau dazu bietet dieses Buch wertvolle Hinweise. Buchempfehlung1 (pdf, 82 KB)

Freitag, 14. Oktober 2005

Europa, Fürdö utca

Fürdö utca

Freitag, 30. September 2005

Warum ausgerechnet den?

Heute darf sich Otto Graf Lambsdorf in der SZ über "harte Wahrheiten in der Politik" auslassen. Wieso denn der? Weil die Gelben ihn trotz seiner dreifach belasteten Vergangenheit zum Ehrenvorsitzenden gemacht haben - einen Vorbestraften?
Nunja, interviewt wurde er als Experte für Rechtswenden. Und weil er bei der letzten Wende 1982, der Wende der FDP zur CDU-Koalitionspartnerschaft, doch so erfolgreich war, darf er nun aus dem Altkämpen-Lager gegen den deutschen Wähler kläffen, der immer noch nicht aus Verelendung klug geworden sei, der immer noch nicht richtig wählen könne, und dem man weiteren Essensentzug androhen muß, damit er endlich zur Vernunft komme: Den Wählern, so sagt der kriminelle gräfliche Ehrenvorsitzende, fehle es an der Einsicht in das Notwendige, und erst die bittere Not "wie 1979 in England" führe dazu, daß er sich zur Vernunft wende und "unpopuläre Schritte" und "harte Maßnahmen", die nun einmal nötig seien, endlich akzeptiere.

Nur: Das Kind ist größer geworden und glaubt nicht mehr so recht an den in die Jahre gekommenen Knecht Ruprecht. Und so klingt der Graf auch eher resigniert denn bedrohlich auf Seite 9. Denn richtig ist: Die "planmäßige Aufrollung einer Gesellschaft durch die Unternehmer und die von ihnen bezahlten Thinktanks" hat doch nicht ganz so glatt hingehauen, wie erwartet. Immerhin.

Die gräfliche Vision vom einsichtigen Deutschen, der sich zustimmend nickend statt ärgerlich murrend den Gürtel zusammenzurren läßt, will auch nicht zur Du-Deutschland-Kampagne passen. Denn weder die Ruckfigur aus der Tradition der Präsidentenrhetorik noch die Beschwörung des "selbstverantwortlichen" DubistDeutschland-Deutschen verträgt sich mit der Figur eines brav duldenden Zähnezusammenbeißers. Und so müssen sich die pädagogisch schlecht ausgebildeten Volkserzieher der politischen Klasse noch eine Weile hin und her wundern, warum ihre Schäfchen nicht tun, was sie sollen, bis sie drauf kommen, daß das deutsche Stimmvieh weder in die eine Figur noch in die andere paßt - und schon gar nicht in beide gleichzeitig.

Mittwoch, 21. September 2005

Simon Wiesenthal

Zum Tod des "Nazijägers" Simon Wiesenthal gibt es angemessene Nekrologe in SZ und Taz. Die SZ betont vor allem, daß nicht Rache, sondern Recht das Leitmotiv für Wiesenthals einzigartige Dedektivarbeit war, die Taz zitiert sein Ziel: "Der einzige Wert meiner Arbeit ist es, die Mörder von morgen zu warnen". Für dieses Ziel sowie für seine Recherche-Erfolge ist Simon Wiesenthal von vielen, denen daran gelegen war, daß die Naziverbrechen und vor allem die Verfolgung der Täter dem Vergessen anheimfallen sollten, geschmäht und angegriffen worden. In beiden Nachrufen wird Wiesenthals "Nicht Rache-sondern Recht"- Motto belegt mit dessen Haltung in der Waldheim-Affäre. Die SZ begründet die Feindschaft gegenüber Wiesenthal mit der Aufdeckung der Nazivergangenheit von Ministern im Kreisky-Kabinett und mit dem Kalten Krieg. Hier wäre - was aber in beiden Zeitungen fehlt - auch davon zu reden gewesen, daß die Errichtung und Konsolidierung der Bundesrepubliken Deutschland und Österreich auf einem Kompromiß mit den ehemaligen Nazi-Eliten in AA und Justiz sowie auf einem Arrangement mit dem fortdauernden antisemitischen Affekt in weiten Teilen der Bevölkerungen beruhte: So mußte das Simon-Wiesenthal-Zentrum häufig erleben, daß von ihm aufgespürte und überführte Täter von Polizei oder Gericht wieder ungestraft in die Freiheit entlassen wurden.
Befremdlich ist eine weitgehend unbekannte Animosität des beliebten Kinderbuchautors Janosch, der in seinem Kinderbuch "Hasenkinder sind nicht dumm" die Figur des Hasen "Wiesenthal" auftreten läßt, der nicht müde wird, die Hasenkinder vor dem Fuchs zu warnen. Der "Hase Wiesenthal" ist dort aber eine lächerliche Figur, denn er ist nicht in der Lage, die Tarnungen des Fuchses zu durchschauen, den er immer nur an seinem "buschigen Schwanz" erkennen kann. Merkwürdige und angesichts der Fahndungserfolge Wiesenthals unangebrachte Häme. Und wozu im Kinderbuch??
Spannend Auskunft über sein Lebenswerk und seine dedektivische Arbeit und ebenso über den Umgang der staatlichen Stellen mit seinen Erfolgen gibt Simon Wiesenthal selbst in seiner Autobiographie "Recht, nicht Rache".

Mittwoch, 14. September 2005

Ausreichend ist nicht ausreichend

Heute wurde der OECD-Bildungsbericht 2005 veröffentlicht. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse für Deutschland in der Printausgabe der SZ titelt: "Die deutsche Bildung: Nur ausreichend." Die Online-Ausgabe dagegen: "An der Spitze fehlt's". Der Online-Titel ist leider unglücklich gewählt. Suggeriert er doch, daß die Haushaltsmittel für Bildung, deren Höhe in Deutschland eh schon unter dem Durchschnitt der OECD-Staaten liegt, in die "Spitze" gepumpt werden müßten.

Der Bildungsbericht - ebenso wie die in Kürze an die Öffentlichkeit gelangende PISA 2 - Studie - zeigen aber einen Befund, der ganz andere bildungspolitische Konsequenzen fordert: Daß in Deutschland nur knapp 20 Prozent eines Jahrgangs Hochschulabsolventen sind (gegenüber dem OECD-Durchschnitt von über 32 Prozent!) liegt weniger am Zustand der Hochschulen oder an dem der Gymnasien - denn dort wurde in den letzten Jahren gefördert - , sondern daran, daß in den Grundschulen und in den nichtgymnasialen Zweigen der Sekundarstufe I (bis zur 10. Klasse) zu wenig gefördert wird.
Es wird also nicht nur zu wenig Geld ausgegeben, sondern das Wenige auch noch falsch.

Und nicht nur das: In keinem anderen Land ist die Diskrepanz zwischen den Ergebnissen an der Spitze (Kompetenzstufe IV der PISA-Messung) und denen am unteren Ende (funktionaler Analphabetismus bis höchstens Kompetenzstufe I) so hoch wie in Deutschland. Großstädte erzeugen in Deutschland bis zu 25 % 15-Jähriger, die weder einfache Texte verstehen, noch über die Grundrechenarten hinausgelangt sind. Das ist das schaurige Ergebnis des selektiven Bildungssystems, an dem bislang nicht gerüttelt werden durfte.

Das bevölkerungsarme Finnland hat schon vor anderthalb Jahrzehnten begriffen, daß man kein Potenzial verschleudern darf und hatte seine Schulreform unter das Motto gestellt: "Keiner bleibt zurück!"
Unsere fehlenden Hochschulabsolventen sind nicht unter den jetzigen Abiturienten einzuwerben. Es wird leider etwas länger dauern. "Keiner bleibt zurück!" muß nämlich dringend auch das Bildungsmotto in Deutschland werden. Dazu muß man sich vor allem denen "da unten" widmen, die man bisher sträflich vernachlässigt und weggesperrt hat in die Haupt-und Sonderschulen, wo sie unter sich bleiben, damit sie die "Guten" "oben" beim Lernen nicht stören, wo sie selbst aber nichts mehr lernen können.
In Finnland gibt es keine Sonderschulen und keine Hauptschulen als Bewahranstalt für den "Ausschuß". Alle gehen in die gleiche Schule. Dafür gibt es dann auch eine entsprechend große Anzahl von Akademikern. Wo die bloß alle herkommen? Bei uns werden sie in den Haupt-, Real- und zu Hauptschulen verkommenen Gesamtschulen verhindert.

In Deutschland werden für jedes Kind, das bei der Einschulung "zurückgestellt" wird, und für jeden "Sitzenbleiber" pro Jahr 6000 Euro ausgegeben. Das sind z.B. in Hamburg immerhin 25 % der Schüler! Unnütz ausgegebenes Geld, ebenso gut wie zum Fenster hinausgeworfen. Was man damit alles an individueller Förderung finanzieren könnte!
Denn daß Abwarten oder Klassenwiederholung nicht zur Verbesserung der Leistungen führen, haben die Bildungsempiriker schon vor vielen Jahren herausgefunden.

Wenn die Bayern nun meinen, das ginge sie alles nichts an, weil sie doch in die PISA-Spitze vorgerückt sind: In München sieht es wahrscheinlich ebenso aus wie in Hamburg, Bremen, Berlin. Der Vergleich der Bundesländer verdeckt das wahre Problem. Deswegen haben die Bildungsforscher in Deutschland beschlossen, als nächstes einen Vergleich der Großstädte durchzuführen. Das wird leider dauern. Bis die erwartbaren Schlußfolgerungen, endlich das gegliederte Schulwesen samt der Paukschule konservativer Provenienz abzuschaffen, dann endlich auch von den Konservativen gezogen werden, wird noch jahrelang das Bildungspotenzial eines großen Teils der Bevölkerung in Deutschland verschleudert werden, immer mehr Jugendliche - Migranten so gut wie
Alteingesessene - einer aussichtslosen Zufkunft überlassen. Daß damit auch das Potenzial mit der Bereitschaft zu Gewalttätigkeit und zum Rechtsextremismus weiter wächst, versteht sich von selbst.

Samstag, 3. September 2005

Schulhof-CD der NPD

Krass: Die NPD verteilt vor Brandenburger Schulen als Werbematerial für Erstwähler CDs mit Liedern der Neonazi-Szene. Die heutige TAZ berichtet über den Einsatz in Fürstenwalde: "Rechtsextreme erteilen Musikunterricht". Erschreckend ist die Hilflosigkeit, mit der die Schule auf diese Aktion reagiert: ""Natürlich finde ich das alles nicht gut", sagt (der Schulleiter) Schenk. "Aber verhindern können wir das nicht"". So die TAZ. Vor Monaten schon war die "Schulhof-CD" indiziert worden und sollte vom Verfassungsschutz beschlagnahmt werden, dann waren die zigtausend Exemplare aber plötzlich verschwunden gewesen. Nun taucht eine neue Version wieder auf, die "juristisch unangreifbar" ist - so das Urteil der Staatsanwaltschaft nach Auskunft der TAZ. Mit Verboten ist es offenbar nicht getan. Dringend nötig ist eine offensive Auseinandersetzung mit den Liedern im Schulunterricht. Dazu müssen die Lehrer unerschrocken und kompetent mit den Inhalten umgehen können. Alle, nicht nur Geschichts- und Politiklehrer. Also? CDs im Unterricht abspielen und diskutieren - aber gewußt, wie! Die meisten Lehrer trauen sich das nicht zu. Sie fühlen sich nicht kompetent in der Auseinandersetzung. Kein Wunder, die demokratischen Politiker sind ja auch oft hilflos darin, vermeiden die offensive inhaltliche Auseinandersetzung vor Ort und ersetzen sie lieber durch ritualisierte Abgrenzung und Allgemeinplätze in der Verurteilung. So braucht man sich nicht wundern, wenn Schüler keinen Grund sehen, die NPD schlimm zu finden. Wie sollen sie?

Aktualisierung (18.9.05):
Für die NPD- Schulhof-CD Nr. 1 mit dem Titel "Anpassung ist Feigheit - Lieder aus dem Untergrund" sind Indizierung und Beschlagnahme-Urteil aufgehoben worden. Das schreibt sich die NPD als Erfolg ihrer "legalistischen" Strategie auf die Fahne. Die CD Nr. 2 hat den Titel "Der Schrecken aller linken Spießer und Pauker!" Erstaunlich, daß die CD mit ihren Texten vor allem dadurch Schüler fasziniert, daß diese die "linke" antikapitalistische und antiamerikanische Rhetorik beerben und eben - nun ja: einen national(en)sozialismus propagieren. Die NSDAP hatte auch mal einen "linken" Flügel der Strasser-Brüder. Der argumentierte ganz genauso. Und wenn sogar Schüler von der Antifa dadurch irritiert werden und den Unterschied zwischen ihrer eigenen Amerika-Kritik und dem völkischen Antiamerikanismus der NPD nicht benennen können, dann hoffe ich, daß ihre Lehrer sich so intensiv damit beschäftigen, daß wenigstens sie ihn erklären können.
Für alle, die die CD haben oder sich beschaffen wollen, und für alle, die
sich damit auseinandersetzen wollen, gibt es zwei hilfreiche PDF aus dem Netz zu holen: 1. eine "Argumentationshilfe gegen die Schulhof-CD der NPD" (2) von der Arbeitsstelle Neonazismus der Fachhochschule Düsseldorf und 2. eine aktuelle Analyse "Neue Strategien und Praktiken des Rechtsextremismus" (d.h. der NPD) mit Überlegungen für die Konsequenzen in Schule und Unterricht vom Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung Hamburg . Dort am Ende der Seite ein Link zum PDF.

Montag, 29. August 2005

Männer machen Geschichte

Gleich vormerken für den Standard-Multiple Choice-Test im Geschichtsabitur:

Wer sagte: "Mein Auftritt ist ein historisches Datum"?

a) Napoleon
b) Hitler
c) Dschordsch Dabbeljuhu
d) Benedictus Bavaricus

Einhilfe: Es ist was mit L!

Samstag, 27. August 2005

Kinder zu dumm zum Wählen?

Da man mich im Küchenkabinett hartnäckig kommentarlos läßt, dh. meine Kommentare nicht freischaltet, muß ich - bevor ich am Ende noch eine Küchenkabinett-Paranoia entwickle - ins eigene Blog zum Thema Kinderwahlrecht. (Na gut, von Küche verstehe ich nichts, dafür aber einiges von Kindern und manches von Politik.)
In der Küche jedenfalls wurde heftig debattiert über den "Kinderwahlrecht" genannten Vorschlag von Paul Kirchhof, Familien dadurch zu fördern, daß sie je nach Anzahl der Kinder mehrere Wahlstimmen bekämen. Das ganze dann Kinderwahlrecht zu nennen, ist absurd, wenn man sich die Diskussionsbeiträge in der Küche dazu anschaut: Erwachsene überlegen da, welchem der Erwachsenen in der Familie - Vater, Mutter, Tante - diese Stimmen zustünden. Ja herrgottsack, geht mir da der Draht aus der Mütze! Würde man Frauenwahlrecht so verstehen, daß die Ehemänner der Frauen dann zwei Stimmen hätten? Neinneinnein! Das ist nicht etwas ganz anderes! Denn in der historischen Diskussion ums Frauenwahlrecht kamen tatsächlich genau die analogen Vorstellungen der üblichen Kommentare zum Kinderwahlrecht heute: Frauen seien zu dumm, um zu wählen. Die Selbstverständlichkeit, mit der allgemeine Einigkeit darin vorausgesetzt wird, Kinder seien zu dumm zum Wählen, zu hinterfragen, erntet noch überall Unverständnis. Und statt aus der richtigen Überlegung, es gäbe leider auch viele dumme Erwachsene, die Schlußfolgerung zu ziehen, daß "Klugheit", verdeckt unter dem Begriff "Mündigkeit" also kein Kriterium für das Wahlrecht sein kann, wird doch auch noch tatsächlich vorgeschlagen, eine "Mündigkeitsprüfung" für Familien einzuführen, damit man diejenigen von ihrem letztverbliebenen Recht, formale Demokratie auszuüben, auch noch ausschließen könnte, die als gesellschaftlich Exkludierte nicht die Gewähr dafür bieten, die "richtigen" Parteien zu wählen. Ohoh! Wenn jemand ausgeschlossen gehörte, dann wohl diese Vorschläger, jedenfalls solange sie nicht einen Nachhilfekurs in Demokratieverständnis absolviert haben.
Daß Kinder sehr wohl in der Lage sind, ihre Interessen zu formulieren und zu prüfen, wer diese am besten vertreten könnte, ja, daß sie sogar in der Lage sind, selbst aktiv Politik zu machen, zeigt das Beispiel Craig Kielburgers, der mit 12 Jahren die Organisation Free The Cildren gründete, die sich überall auf der Welt um die Kinderrechte und den Schutz von Kindern gegen Ausbeutung und Übergriffe durch Erwachsene kümmert. Ganz berühmte Geschichte. Wer kennt einen Erwachsenen in seiner privaten Umgebung, der ein derart hohes Maß an politischer Mündigkeit vorzuweisen hätte? Nun wird man natürlich einwenden, ein Craig Kielburger sei nunmal eine Ausnahme, ebenso wie ein 12-jähriger als Mathegenie-Doktorand eine Ausnahme darstelle. Schon richtig. Aber niemand würde deshalb behaupten, Kinder könnten keine Mathematik, weil sie Kinder sind. Von Mathematik-Mündigkeit habe ich jedenfalls noch nirgendwo gehört. Warum soll es mit Politik denn anders sein? Übrigens hat Craig Kielburger - obwohl Initiator - nicht allein Politik gemacht. Die vielen Kinder, mit denen er in seinem Team zusammengearbeitet hat: auch Ausnahmen? Free The Children, eine internationale Organsisation mit Gruppen in der ganzen Welt und tausenden von Mitgliedern, wird ausschließlich von Kindern betrieben. Man sieht: Zu untersuchen wäre, warum nicht alle Kinder so politikklug sind wie Craig - oder man könnte untersuchen, warum es so viele dumme Erwachsene gibt, obwohl sie wahlmündig sind.
Ich stelle mir ein Kinderwahlrecht vor: Die Politiker müßten die Kinder genauso ernst nehmen wie sie es bei den Erwachsenen tun: Als bedeutsamen Teil der Bevölkerung, auf deren Entscheidungen man Rücksicht zu nehmen hätte und die man zufrieden stellen müßte. Die Spielzeugindustrie jedenfalls hat keine Probleme damit. Sie hat die Kinder schon seit langem als ernst zu nehmende Konsumenten entdeckt und umwirbt sie von vorne bis hinten. Was tun denn die Politiker anderes mit ihrer Wahlwerbung um die Erwachsenen?
Bild: Ivan Montero / fotolia

shift.

Weblog zu Schule und Gesellschaft

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Impressum

Suche

 

Archiv

Mai 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
 
 
 
 

Aktuelle Beiträge

Nochmals danke
... für diesen Text als Erwiderung für ale jene, die...
bernd (Gast) - 25. Feb, 10:32
Hey, hab grad deinen...
Hey, hab grad deinen alten Blog wiedergefunden! Obwohl...
Karsten (Gast) - 2. Jul, 16:23
Wordpress
Hmm... warum ziehts denn immer alle zu Wordpress? Find...
Gerlinde (Gast) - 26. Jun, 09:56
Bin momentan Referendarin...
Bin momentan Referendarin in Baden-Württemberg und...
Anja (Gast) - 28. Apr, 12:07
Passiert hier in naher...
Passiert hier in naher Zukunft noch etwas oder wirst...
abschluss - 20. Mai, 17:45

Status

Online seit 7293 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 29. Jan, 11:54

Credits

Web Counter-Modul


Antisemitismus
Die Gegenwart der Vergangenheit
Eigene Papiere
Erziehungssystem
Gesellschaftstheorie
Kultur
Lernen
Neue Medien
Ökonomie und neue Gesellschaft
Politik
Rechtsextremismus
Schulentwicklung
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren