Donnerstag, 31. August 2006

Invasion

Waterpolo-021

So sah es gestern und heute in unserer Naßzelle aus.

Waterpolo-029

Sind das Einweg-Beutelchen für den Opernbesuch?
Oder Puppenmützchen für die Kindergartenausstattung?

Waterpolo-025

Oder ist es ein vorzeitiger wasserfester Adventskalender?
Nichts von alledem! Es ist die unvermeidliche Begleiterscheinung
einer Waterpolo-Familie, die mit dem Wasserballkappentrocknen
dran ist.

Bester Link zum Nahostkonflikt

ersetzt - nein übertrifft - meine (Libanonkrieg-) Linksammlung um ein Vielfaches an Informationswert:

http://www.israelipalestinianprocon.org/

Dokumente, Karten, Darstellungen und Stellungenahmen en masse.
Der Ansatz der Organisation ist vielversprechend multisperspektivisch und stellt kontroverse Auffassungen zu den zentralen Fragen zusammen.
Die Seite ist ein Forschungsprojekt der ProCon.org, die ihre Ziele so formuliert:
"Our goal is to publish the best available pro and con responses to the question: "What are the solutions to the Israeli - Palestinian conflict?" and related questions."
"The Mission Statement of ProCon.org is: Promoting informed citizenship by presenting controversial issues in a simple, nonpartisan pro-con format".

Donnerstag, 24. August 2006

Kommentierte Linksammlung zum Libanonkrieg

Nicht nur im Politik- und Geschichtsunterricht – aber vor allem in diesen Fächern – wünschen sich viele Schüler eine Anleitung zum Umgang mit der verstörenden und beängstigenden kriegerischen Zuspitzung des Nahost-Konflikts, mit dem sie in den letzten Wochen in allen Medien konfrontiert wurden. Aktuelles "durchdidaktisiertes" Unterrichtsmaterial gibt es zu diesem Thema kaum, und was es gibt, ist eher enttäuschend . Es bleibt dem Lehrer und der Lehrerin also nichts anderes übrig, als sich gemeinsam mit den Schülern an die Erforschung des Gegenstands zu machen. Das ist eine gute Gelegenheit, selbstgesteuertes Lernen und kooperative Unterrichtsformen anzuwenden. Dass dabei das Internet eine zentrale Rolle spielen muss, ist klar. Diese kommentierte Linksammlung soll beim Auffinden interessanter und relevanter Seiten im Internet helfen, die sowohl der Orientierung der Lehrkräfte als auch zur Information für Schülergruppen der Jahrgänge 10-13, sowie als Ausgangsmaterial für Diskussionen im Unterricht dienen können.

Linksammlung (rtf, 60 KB)

Donnerstag, 3. August 2006

Ist mir schlecht!

Erst dachte ich, es wäre Satire. Es mußte Satire sein, denn so dumm kann keiner wirklich sein. Dann dachte ich, die Taz hätte vielleicht ein Abkommen mit der Jungen Freiheit, ihr die Steilvorlage für die nächste Ausgabe zu liefern.
Aber jetzt glaube ich, es ist ernst gemeint. Zumindest von der Autorin des Taz-Artikels, Isolde Charim, die offenbar gebeten worden war, einmal zusammenzustellen, "Wie man Israel richtig kritisiert". - gestern in der Taz auf Seite 4, Seitenüberschrift "Gebrauchsanweisung":

"Angesichts der derzeitigen Kämpfe im Südlibanon fragen sich viele Deutsche: Wie können sie Israel kritisieren, ohne sich dem Vorwurf des Antisemitismus auszusetzen? Keine Scheu! Solidarisch gemeinte Kritik an dem jüdischen Staat ist stets möglich - wenn man sich an ein paar Leitsätze hält." Und dann fett:
"So ist Israelkritik politisch korrekt"
Und dann kommen im Gestus einer Brigitte-Stilberaterin ein paar does an don'ts zum "richtigen" Meinen.

Ja Himmelherrgottsackzement, ist mir schlecht! Ich bin fassungslos. Ich kann gar nicht soviel essen wie ich jetzt kotzen muß. Ist die Frau so unglaublich dumm? Oder ist die Taz so unglaublich niederträchtig, sie ins Messer rennen zu lassen?

Verdammt nochmal! Es geht doch nicht darum, daß man sich vor dem Vorwurf schützen muß, man sei Antisemit. Es geht darum, daß man keiner ist. Und was soll das denn heißen: "Solidarisch gemeinte Kritik ist stets möglich"? - Jede Kritik ist stets möglich - und selbstverständlich ohne irgendwelche Leitsätze!

Die Leitsätze heißen: "Hüten Sie sich ... " und "Vermeiden Sie ..."
Ah ja. Klartext: Eigentlich wollten wir ja genau das und das sagen, aber es sieht nicht gut aus und führt zu unangenehmen Vorwürfen. Also hüten wir unsere Zunge, auf daß die Wahrheit nicht ans Licht komme, und vermeiden wir das zu sagen, was wir eigentlich meinen, denn es macht sich nicht "politisch korrekt" und das ist das Wichtigste. Das ist offenbar der oberste Wert in unserer "Wertedemokratie": Daß wir das sagen, was von uns verlangt wird. Wir können den letzten Bockmist zusammendenken, rassistisch, antisemitisch und nationalistisch bis in die Knochen sein, das kümmert niemanden - nur zeigen dürfen wir es nicht. Da frage ich mich als Politiklehrerin aber: Wie kann ich solche Auffassungen bekämpfen, wenn sie sich gar nicht artikulieren?

Mein lieber Schwan! Einen besseren Beleg für die Richtigkeit der Behauptung der Rechten, Ultrarechten und Extremrechten, in diesem Lande sei selbständiges Denken und unabhängige Meinungsäußerung nicht möglich, kann sich die antisemitische Rechte ja gar nicht wünschen! Erste Klasse Steilvorlage für jeden neu- und altrechten Agitator!

Es ist eine absolut blödsinnige Vorstellung, der Begriff "politisch korrekt" - ursprünglich von rassistischen antisemitischen Kreisen in den USA erfunden, um das Bemühen der Liberalen und Linken um einen nichtdiskriminierenden Diskurs und nichtdiskriminierendes Verhalten gegenüber religiösen oder ethnischen Minderheiten, Frauen und Schwulen zu desavouieren - könnte positiv benutzt werden von eben diesen Minderheiten, Frauen und Schwulen. Antisemitismus läßt sich nicht verbieten. Vorurteile, Animositäten und Affekte kann man nicht verbieten, man kann sie nur fördern oder abbauen. Verbieten kann man nur ihre öffentliche Äußerung. Dies fördert zumindest das permanente Auseinandertreten von öffentlich Gesagtem und privat Gedachtem. Das kann keine gute Strategie gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus sein.

Da kann ich nur mit Richard Chaim Schneider sagen:
"Ich will den Antisemiten sehen!" (SZ, 25.02.05)

Mittwoch, 2. August 2006

Vom "Kampf um die Begriffe"

Die "Junge Freiheit" - zentrales Medium im Netzwerk der "Neuen Rechten"

Ritter der Meinungsfreiheit

"Danke! 1.500 Unterzeichner sorgen mit dem 'Appell für die Pressefreiheit' gegen die von der Leipziger Buchmesse ausgesprochene politisch motivierte Ausladung der Wochenzeitung 'JUNGE FREIHEIT' für den Durchbruch".
So jubelte die "Junge Freiheit" am 17. Februar 2006 und warb sogleich um Spenden zur Finanzierung ihrer Anzeigenkampagne in der FAZ und der Süddeutschen Zeitung. Die Investition hatte sich gelohnt, denn die als rechts bekannte Wochenzeitung konnte sich nach dieser Aktion nicht nur den Messebesuchern schließlich doch noch mit eigenem Stand und Kundgebung präsentieren, sondern hatte darüber hinaus auch noch ein Gefecht gewonnen im "Kampf um die Köpfe" (NPD), der im Jargon der "Neuen Rechten" um die "Junge Freiheit" "Kampf um die Begriffe" lautet. Mehr als eine Woche lang war die "Junge Freiheit" Gespräch in allen Medien gewesen, nachdem die Messeleitung nach der Ankündigung des Blattes, am Messestand ihr 20jähriges Bestehen durch eine Kundgebung zu feiern, deren Akkreditierung gekündigt hatte. Dadurch hatte die Zeitung zum wiederholten Male die Gelegenheit erhalten, der Öffentlichkeit mit einer Protestnote "für die Pressefreiheit" eine lange Liste "unbescholtener", vorwiegend männlicher Prominenzen aus Politik, Verwaltung, Militär, Presse, Wirtschaft und Wissenschaft – zu einem erheblichen Teil "a.D.", "i.R." oder "em." – zu präsentieren, die ihr damit nicht nur ein demokratisches Unbedenklichkeitszeugnis ausgestellt, sondern zugleich auch die Märtyrerpose "politisch verfolgt" bestätigt hatten.
(...)
Wer ist diese "Junge Freiheit", die beständig für Wirbel in den Medien sorgen und mehrere Verfassungsschutzämter, Verwaltungsgerichte und schließlich das Bundesverfassungsgericht jahrelang – für ihre eigenen Zwecke am Ende erfolgreich – beschäftigen kann? Welche politischen Ziele verfolgt diese Zeitung, für welche Meinungen streitet sie um "Freiheit", wer sind ihre Autoren, wer unterstützt sie, wessen Medium ist sie? Und schließlich: Ist sie gefährlich, und wenn ja, warum? Und wie könnte ein adäquater Umgang damit aussehen?
Diesen Fragen wird im Folgenden nachgegangen.

weiter: LR_JungeFreiheit (pdf, 271 KB)

Sonntag, 25. Juni 2006

Das Geheimnis, zweiter Teil

Endlich mal was Gescheites zum Thema Nationalfahnenschwenkerei:

Klaus Hurrelmann, Bielefeld - oder war es nun Klaus Boehnke, Bremen? - das ist etwas unklar, aber nicht so wichtig, dafür ist wichtig, daß die Einschätzung richtig:
via amazemans journal (Rechtschreibung bereinigt):

"Also ich würde garnicht mal das Argument bemühen, daß Deutschland ein schwieriges Vaterland ist, dem man sich nicht wirklich mit der Nationalfahne irgendwie präsentieren sollte.
Was mir als wichtiger erscheint ist, daß diese nationale Symbolik ja etwas aus meiner Sicht völlig Altmodisches ist. Nation und Patriotismus und Schwarz, Rot, Gold ist etwas, das kommt aus dem 19. Jahrhundert, und hier wird einfach so getan, als würde es taugen für das 21. Jahrhundert, und in diesem Sinne wird Rückbesinnung verlangt. Und das kann eigentlich nicht stimmen - wir können uns nicht auf etwas rückbesinnen, das im 19. Jahrhundert hervorgebracht wurde."


Und hinzuzufügen wäre: Wir wollen und dürfen uns auch nicht auf etwas rückbeziehen, was wir im 21. Jahrhundert, in dem es mit der Bedeutung des Nationalstaats rasant zuende geht, nicht nur nicht mehr gebrauchen können, sondern was uns auch am Erwerb von Zukunftsfähigkeit behindert.

Im Gegensatz dazu stimmt die Freude über die "Normalität" nationalstaatlicher Gefühlswelten der Linken, die Gysi als Vertreter der nationalen Linken befällt, eher traurig. Zeigt das doch, daß diese Linke nicht Avantgarde, sondern Nachhut ist:

"Die Konservativen haben Deutschland immer als eine Nation verstanden, zu der zumindest bestimmte Linke nicht dazugehören. Diese Linken haben das irgendwann akzeptiert und sich nur noch außerhalb und gegen die Nation definiert. Das war zwar verständlich, aber ein Fehler. Eine Linke mit einem so gestörten Verhältnis zur Nation kann natürlich nie mehrheitsfähig werden. Eine Nation, die man nicht will, kann man nicht führen. Da ist ein Widerspruch im Kopf und ein Widerspruch im Herzen."

Na gut, Nachhut hat auch ihre Funktion und wird gebraucht. Allerdings hat "die Linke" eigentlich andere Aufgaben. Und wer übernimmt diese jetzt?

Freitag, 23. Juni 2006

Das Geheimnis des patriotischen Gefühls

Maxim Leo in der Berliner Zeitung vom 17.6.2006:

"Ich spüre etwas in mir. Etwas Verwirrendes. Eine Mischung aus Stolz, Aufgeregtheit und ständigem Harndrang. Ich weiß nicht, ob das schon Patriotismus ist, aber ich denke jetzt ernsthaft darüber nach, eine deutsche Fahne an unseren Balkon zu hängen."

Vielleicht sollte er einfach schnell mal das Örtchen aufsuchen, um nicht zu viel vom spannenden Fußballspiel in der Glotze zu verpassen?
Erstaunlich, welche Schlußfolgerungen andere Leute aus ihren Selbstwahrnehmungen ziehen.

(Um gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen: Dies ist nicht die Arbeit über Rechtsextremismus! ;-))

Montag, 19. Juni 2006

In Arbeit

ist etwas Größeres zum Thema Rechtsextremismus. Geduld - bald ist es fertig.
Bis dahin wenigstens zur Dokumentation, daß shift noch nicht auf den Blog-Friedhof gehört:

dsci0024_edited
Locus amoenus 1: Arbeitsplatz

dsci0023_edited
Locus amoenus 2: Feierabendplatz

Mittwoch, 17. Mai 2006

Vom Träumen

Schön, daß wir mal wieder davon hören.
stern.de Wirtschaft zeigt heute mal wieder darauf: "Satte Gewinne [vermeldet der Kommentar richtig] - hoffentlich für alle [frommwünscht der Kommentator niedlich]".
"Die Lufthansa hat 2005 einen Gewinnsprung von 154 Prozent gemacht, Linde 113 Prozent, Bayer 151 Prozent - um nur einige Beispiele zu nennen." Ja. Das ist die Höhe. Aber es ist ganz und gar neu nur für diejenigen, die wirklich glauben, hohe Löhne hingen von hohen Profiten ab. Das tun sie mitnichten - im Gegenteil: hohe Profite gibt es bei niedrigen Löhnen.
"Von diesem Profit sollten alle profitieren." Oh ja, wer von denen, die nicht profitieren, träumt nicht vom Mitprofitieren? Schaun wir mal, wie naiv die Vorstellungen sind:

"Das Profit-Einfahren diktiert der (Welt-)Markt. Knallhart, ohne Moral. Das Treiben betrachten wir mal staunend, mal murrend, oft kleinmütig. Das Ausreizen und Missachten der wenigen Marktregularien bringt zwei Zünfte in Lohn und Brot: Berater und Anwälte. Alle anderen in der freien Wirtschaft, zu vorderst wir Arbeitnehmer, leben vom Ausschütten der Profite. Deshalb reden wir seit gut 100 Jahren darüber mit. Ein bisschen zumindest. Politisch." Hm. Das klingt ja richtig nüchtern und realistisch. Aber es ist falsch. Im Ansatz falsch. Denn wir leben nicht alle in der freien Wirtschaft von der "Ausschüttung der Profite", schon gar nicht die "Arbeitnehmer" - also die Arbeitskraftgeber, um genau zu sein. Die leben nämlich von ihrem Lohn. Der Lohn ist das, was auf dem Arbeitsmarkt als Äquivalent für den Verkauf der Ware Arbeitskraft zu erzielen ist. Über die Höhe der Profite oder gar über deren "Ausschüttung" hatte der "Arbeitnehmer" noch nie mitzureden. Kein bißchen. Was aber seit 150 Jahren nicht vergeht, ist die Vorstellung vom "gerechten" Lohn - hier kommt sie sogar als naive Forderung nach "angemessener Gewinnbeteiligung" (siehe unten).

Nun kann man natürlich weiterhin an die Kraft des Wünschens glauben - hartnäckig, obwohl es seit nunmehr 7 Generationen nichts geholfen hat.
Man kann aber statt in Märchen herumzuwünschen auch bei Marx nachschauen, wie die Ökonomie des nunmehr einen Systems funktioniert, man kann sich dabei auch helfen lassen, etwa von Georg Fülberths Artikeln in Konkret - wenn man bloß nicht so verdammt darauf fixiert wäre, sich die Funktionsweise dieser Ökonomie ausgerechnet von denen erklären zu lassen, die darin die Profite machen, oder - Kehrseite der Medaille - von den Kleinbürgern, die ihre (verständliche) Wut schon für Analyse halten und denen drum die Globalisierung und die Finanzmärkte als der böse Kapitalismus, das "einheimische" mit "einheimischen" ArbeitskraftzuMarktetragenden Menschen Profit erzielende Unternehmertum aber als guter, gerechter oder doch wenigstens erträglicher Kapitalismus gelten.

Höhere Löhne gibt es nicht, weil die Profite hoch sind und drum die Profiteure spendabel - höhere Löhne gibt es, wenn der Marktpreis der Ware Arbeitskraft gestiegen ist. Und das tut er, wenn diese Ware Mangelware wird. Davon kann aber weißgott keine Rede sein in einer Zeit, wo die freigesetzte Arbeitskraft schon froh sein muß, wenn sie sich für einen Euro die Stunde feilbieten oder zu ganz offiziellen Bedingungen leiharbeiten darf, und trotzdem nicht mehr hat als ein Sozialhilfeempfänger. (Natürlich kann man mit dem Finger auf die maximierten Profite zeigen und daran seine Lohnforderungen festmachen. Zwar hilft es nicht - aber immerhin.)

Aber der Kommentator meint vielleicht, die Gemeinschaft via Staat könne am Gewinn beteiligt werden.
"Weltweite Arbeitsteilung: Die Investitionsziele der Firmen liegen, wie viele ihrer Gewinnquellen, zunehmend außerhalb Deutschlands. Ein erheblicher Teil der Profite (und Arbeitsplätze) wandert schnurstracks an der heimischen Wirtschaft vorbei. Kein Mensch, am wenigsten ein Politiker, kann diese Wanderung aufhalten. Sie ist nicht neu, sondern begann schon in den 60er Jahren, also im Anschluss an das Binnen-"Wirtschaftswunder". Nur kurz - zu Beginn der 90er Jahre - verringerte sich der deutsche Drang hinaus in die Welt. Die Ex-DDR lag näher. Doch schon bald lockten wieder die Möglichkeiten der globalisierten Märkte, die weltweite Arbeitsteilung. " Richtig! Und wieder so nüchtern realistisch. Aber der Kommentator hofft entgegen aller Einsichten auf ein Einsehen, (obwohl doch kein Mensch, am wenigsten ein Politiker...) denn:

"Exportweltweister - Made in Germany". Kein Problem, solange zu Hause alles im Lot schien. Jetzt, da Arbeitsmarkt, Rente, Gesundheit, Pflege und Staatsfinanzen, endlich auch anerkanntermaßen marodieren, ist es ein Problem." Und da vergißt er in der Eile zu fragen, für wen...
Und höre ich richtig: Das patriotisch gesinnte Kapital kommt "nach Hause", weil der Haussegen schief hängt und die "Heimat" in Ordnung gebracht werden muß - und spendet dafür auch noch einen Teil des Profits? - Nebbich!

Zwar werden
"fromme Appelle (..) es ebenso wenig lösen, wie gestriges Geschrei. Es braucht politische Vorgaben. Durchdacht, verlässlich und handwerklich einwandfrei. Realistischerweise sollten sich auf diese Art zumindest zwei Sanierungsbeiträge von unseren "Global-Playern" einfordern lassen: Zum einen, dass sie in der Heimat angemessene Steuern zahlen, und dass Spartenverkauf und Abwanderei nicht länger subventioniert werden."
Ach ja, da wollen wir wieder träumen - diesmal vom Primat der Politik, der mit "handwerklich einwandfreiem" politischen Handeln einzufordern wäre und den es doch auch nie gegeben hat. Handwerklich einwandfreies politisches Handeln kann es in diesem ökonomischen System gar nicht geben - nur mehr oder weniger ungeschicktes Handwerkeln. (Und welches Ausmaß an Marodität staatlicher und gesellschaftlicher Strukturen für den Maximalprofit hinzunehmen, das Kapital in der Lage ist - das kann man überall auf der Welt betrachten. Von diesen möglichen hinzunehmenden maroden Zuständen sind wir hier allerdings weit entfernt.)
Und wenn der Kommentator es so trotz aller Zwars und Abers in aufblitzendem Realismus wieder in die Märchenwelt zurück geschafft hat, dann auch gleich richtig - siehe oben:
"Zum anderen, dass heimische Mitarbeiter angemessen an den Gewinnen beteiligt werden - was nicht bedeuten muss, Lohnstückkosten wettbewerbsschädlich zu erhöhen." Und er träumt von "neue(n) Formen der Mitarbeiter-Beteiligungen".
Es gibt nur einen Grund, warum Unternehmen über Mitarbeiter-Beteiligung nachdenken: Damit die "Mit"arbeiter besser "mit"arbeiten. Vulgo höheren Profit erzeugen. Das kann unter Umständen tatsächlich im Interesse der Beschäftigten liegen. Aber es handelt sich auch dabei um nichts weniger als um "Profit-Ausschüttung".

Trotzdem schön, daß wir mal wieder drüber reden konnten.

Montag, 1. Mai 2006

Verwaltung statt Politik

Zwar ist heute der 1. Mai, und bembelkandidat hat den Kampf- oder Nichtkampftag der Arbeiterklasse oder nicht -klasse schon gewürdigt und das Küchenkabinett wird es bestimmt noch tun.
Ich komme jedoch den Tagesereignissen und dem politischen Kalender kaum hinterher und bin mit den politischen Scherzen des 1. April in Hamburg-Harburg noch nicht fertig.
Am 1. April titeln die Harburger. Anzeigen und Nachrichten "'Das mache ich nicht mit!' Harburg: Bezirksamtleiter gegen Politisierung des Rathauses". Ein dummer Aprilscherz, denke ich zunächst, denn das kann ja wohl nicht ernst gemeint sein: Rathaus ohne Politik. Doch ich muß mich eines Besseren belehren lassen: Es ist nicht nur Ernst - es ist Realsatire, wie man sie nicht besser erfinden kann.

Die DGB-Jugend hatte eine Ausstellung in den Räumen des Rathauses zur Aufklärung über die aktuellen Strategien und Aktionen der rechtsextremen Jugend beantragt, die vom Bundesfamilienministerium gefördert wird. Die CDU-Fraktion lehnte die Ausstellung in den Räumen des Harburger Rathauses ab; im Harburger Raum sind Neonazi-Gruppen präsent. Fraktionschef Ralf-Dieter Fischer begründet die Ablehnung laut TAZ damit,
"dass eine Antifa-Woche, 'die im Rathaus veranstaltet wird und damit einen offiziellen Charakter erhält, kontraproduktiv' sei und die 'Kreativität unerwünschter rechter Organisationen' hervorrufe. Zurückhaltung sei 'angebracht'. Auch die Polizei ermahne, 'die Spirale nicht noch weiterzudrehen'. Außerdem dürften sowieso nur die Bezirksfraktionen die Räume im Rathaus nutzen. Würden sie für die Antifa-Woche geöffnet, befürchtet er, könnte das 'schwer abwehrbahre Forderungen nach Gleichbehandlung nach sich ziehen'".

Die darauf folgende öffentliche Auseinandersetzung zwischen CDU einerseits und der DGB-Jugend sowie der SPD andererseits, führte dann zu der oben genannten Äußerung des Bezirksamtsleiters Torsten Meinberg (CDU), der laut Harburger. Anzeigen und Nachrichten schnell noch ein gewichtiges, weil verwaltungstechnisches Argument nachschob, nämlich daß Veranstaltungen dieser Art den Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigten.

Diese Vorgänge und Äußerungen wären zum Lachen, wenn sie nicht so gefährlich und leider so verbreitet in den deutschen Amtsstuben wären: eine "demokratische Mitte"-Partei, die den Kampf gegen Neonazismus nicht in ihrem Rathaus haben möchte, weil sie sich dann selbst mit den Neonazis auseinandersetzen müßte; eine Polizei, die wegen bloß formaler Auffassung ihres Auftrags - für Schutz vor Gewaltakten und für die Einhaltung der Gesetze zu sorgen - nicht zwischen den Nazis und der Gegenwehr gegen sie unterscheiden kann, und die darum behauptet, Gegenmaßnahmen würden die Nazis erst zur Aktion motivieren; und ein Amtsleiter, der keine Politik in seinem Rathaus wünscht, weil diese den Dienstalltag stört -
diese feige vornehme (Zurück-)Haltung war seinerzeit mitverantwortlich dafür, daß das Vorbild der Neonazis, die NSDAP, überall im Deutschen Reich so präsent werden und die sozialen Strukturen von Stadtteilen und Kommunen völlig unbehelligt von den Amtsinhabern und Amtsverwaltern der Demokratie druchdringen konnte - lange, bevor sie von unten an die Macht gewählt und von oben damit beauftragt wurde.

Die Entpolitisierung des öffentlichen Raums und die Veramtisierung der Rathäuser und Parlamente, die Politik nicht als "Einmischung der Subjekte in ihre eigenen Angelegenheiten" (Max Frisch) verstehen, sondern auf Amtsakte und ungestörten "Dienstbetrieb" reduzieren möchten, sind verantwortlich dafür, daß es in vielen ostdeutschen Kommunen "national befreite Zonen" geben kann. Schon jetzt sind in solchen Orten die Nazis die einzigen, die in diesen "politikfreien" Räumen Politik machen.
Und - wie die Geschichte gezeigt hat: Es ist schwierig, sie danach durch einen von oben angeordneten "Aufstand der Anständigen" wieder hinauszuwerfen, wenn man zuvor die Anständigkeit nicht gepflegt, sondern des Raums verwiesen hat.

Mir ist das Lachen über den Aprilscherz in Harburg im Halse stecken geblieben. Wer wirklich laut gelacht haben wird über diesen Streich? Die Harburger Neonazis.

Mittwoch, 12. April 2006

Wasch mir den Pelz ...

In Hamburg macht Schule, das teilweise als Organ der Hamburger Schulbehörde fungiert, formuliert Dieter Lenzen "Perspektiven zur Reform des Schulsystems". "Grundlegende Änderungen" verspricht er im Titel seines Aufsatzes (S. 6ff). Aha, jetzt geht es endlich zur Sache!, freue ich mich, und wie gut, daß sich Lenzen der überfälligen Transformation dieses hinterwäldlerischen deutschen Systems annimmt. Lenzen ist einer der wenigen deutschen Erziehungswissenschaftler, die international überhaupt zur Kenntnis genommen werden - immerhin hat er eine Seite in der deutschen Wikipedia und in der englischen taucht er als Referenz beim Stichwort Education im Abschnitt History auf – und Lenzen hat Luhmanns Erziehungssystem der Gesellschaft herausgegeben und seine Schriften zur Pädagogik editiert, und so hege ich frohe Erwartung, daß endlich ein Ende damit gemacht wird, daß sich die deutschen Bildungspolitiker an der Selektionsstruktur ihres Schulwesens bis zum Untergang festklammern, wie die Titanicmusiker an ihren Instrumenten.

Die Hoffnung wird jedoch schon irritiert, wenn Lenzen im zweiten Abschnitt seines Artikels zu den Mängeln des deutschen Bildungssystems folgendes bemerkt: "Will man heute das Bildungssystem verändern, so geht es darum, ökonomische und soziale Trends sowie Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, die sich bis in die Zeit des Jahres 2020 erstrecken." Moment! Wieso nur bis 2020? Das ist doch schon bald. Und wieso genau bis dahin? Und was ist im Jahre 2021 nun wieder los, wovon Lenzen schon weiß, wir jedoch nicht? Und welche sozialen Trends und Rahmenbedingungen, die wir berücksichtigen sollen, meint er überhaupt? Leider sagt er es uns nicht. Aber ich bin mißtrauisch geworden, denn die Tendenzen, die ich sehe, werden vermutlich nicht im Jahre 2021 schon wieder enden.

Aber vielleicht war es ja nur ungeschickt formuliert, also sehen wir weiter: "Die Beteiligung im Bildungssystem ist unzureichend und sozial ungleich verteilt: Die Leistungselite ist zu klein, die Zahl der Leistungsschwachen und Benachteiligten zu groß." Immerhin richtige Diagnose. Aber die kennen wir schon und hatten sie auch schon konkreter. Jetzt hoffen wir auf Lenzens Therapieplan:
"In der Primarschule werden Kinder bis zum vollendeten vierzehnten Lebensjahr gemeinsam unterrichtet." Gut. Wenigstens acht Jahre gemeinsame Schule für alle. Aber wieso 8, warum nicht 9 wie in Finnland oder 10 wie in der DDR? Und dann: "Heterogene Lernvoraussetzungen sollten in der Sekundarstufe I zu einer Differenzierung führen. Diese Stufe wird angeboten als Sekundarschulform in Form einer kombinierten Haupt- und Realschule ... für das zweite und dritte Leistungssegment; als Gymnasium ... für mindestens den obersten Leistungsbereich." Aber warum gibt es nach der gemeinsamen Schulzeit noch relevante heterogene Lernvoraussetzungen? Zu kurze Zeit? Verfehlte Lernkultur? Schlechte Lehrer, mangelhafte Förderung? Irgendwie kann sich Lenzen offenbar doch nicht von dem Gedanken einer für Haupt-, Real- und Gymnasialbildung anscheinend biologisch differenziert befähigten Menschheit (zumindest in Deutschland) verabschieden. In welche Tüte der junge Mensch gehört, zeigt sich für ihn dann am Ende des 14. Lebensjahrs in "Leistungstests ..., die zum Beispiel [?] weitgehend [?] darüber mit [?] entscheiden, ob ein Jugendlicher auf ein Gymnasium gehen kann."
"Darüber hinaus müssen Sonderschulen für Kinder mit Behinderungen und Spezialschulen für Kinder mit besonderen Begabungen geschaffen werden." Wie? Geschaffen werden? Sonderschulen? Diese hatten wir doch schon immer, nur daß sie mittlerweile schamhaft Förderschulen genannt werden. Also doch die guten Lerner und die schwierigen früh absondern, damit es homogen zugeht?

Und schließlich: "Die Einführung einer undifferenzierten Einheitsschule, die das Wahl- und Bestimmungsrecht der Eltern ins Leere laufen ließe, wäre verfassungswidrig und ist strikt abzulehnen." Im GG der BRD steht nirgendwo etwas zum gegliederten Schulsystem, das aufzuheben verfassungswidrig wäre. Welche Verfassung meint er? Was wählen die Eltern denn da? Ich dachte, die Tests sollen "zum Beispiel weitgehend" die Eintütung in die Sekundarschulform "mit"bestimmen? Es können also doch wieder nicht alle Eltern wählen, nur die, deren Kinder die Tests bestanden haben und sowieso auf Gymnasium dürfen? Die sollen dann die Erlaubnis haben, für ihr Kind trotzdem freiwillig die Hauptrealschule zu wählen? Toll! Wäre da nicht in Lenzens unergründlicher Logik doch eher diese Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium "verfassungsfeindlich"? Und die gemeinsame Primarschule bis 14 scheint auch nicht ernst gemeint, denn in der dazugehörigen Grafik auf S. 7 sind ab ca. dem 10. Lebensjahr zwei parallele Schulformen - Sekundarschule und Gymnasium angesagt. Und selbst, wenn man noch in Rechnung stellt, daß nach dieser Grafik die Einschulung in die Primarstufe mit 4 Jahren erfolgt, käme trotzdem nur die in Berlin(West) schon seit 50 Jahren betriebene 6-jährige Grundschule heraus. Danach würden die Schüler auf zwei verschiedene Schulformen verteilt - nach Elternwillen? - , nämlich aufs Gymnasium und aufs Nichtgymnasium, um anschließend mit 14 Jahren eine Aufnahmeprüfung für die gymnasiale Oberstufe zu machen. Mit Chance nach vier Jahren Haupt- und Realschule?
Das kann doch nicht ernst gemeint sein!

Ich hätte lieber nichts erwarten sollen.

"Grundlegende Änderungen"? "Perspektiven zur Reform"? - Nichts dergleichen. Stattdessen Variation X der bekannten Melodie, die mitsamt der Posaune und dem Schiff untergehen wird!
Bild: Ivan Montero / fotolia

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