Politik

Mittwoch, 29. Juni 2005

Jetzt wieder diese Nummer!

"Zu früh" betitelt German-Foreign-Policy.com einen interessanten Kommentar zu den neuesten Versuchen Gerhard Schröders, sich in der Iranpolitik in die Pose des Friedenskanzlers zu werfen. Die SPD setze auf "Neuauflage ihrer friedenspolitischen Selbstdarstellung, mit der sie während des Irak-Kriegs operierte und dann den Überfall gleichzeitig unterstützte."

Sonntag, 26. Juni 2005

Ach du ahnst es nicht!

Ahmadi Nedschad ist also Präsident des Iran geworden. Hoffentlich versteh ich morgen, warum nur 49% der Wahlberechtigen zur Stichwahlurne gegangen sind. Aber was steht da ? "Die hohe Wahlbeteiligung und die schmetternde Niederlage des alten Fuchses Rafsandschani haben auch Experten überrascht"? Jedenfalls ist jetzt jede Lage niedergeschmettert, denn wo waren die Frauen, die doch für das kleinere Übel stimmen wollten?

Freitag, 24. Juni 2005

Konkret

muß man ab und zu kaufen, denn leider sind die guten Beiträge darin nicht kostenlos im Netz zu haben. In Nr. 7/2005 findet sich eine bemerkenswerte Analyse der derzeitigen Umstrukturierung der Linken durch Georg Fülberth: "Aus alt mach neu. Was taugt das Wahlbündnis aus PDS und WASG?". Die wirtschaftspolitische Konzeption des Bündnisses hält er für "realitiv solide" (Steuererhöhung, Bürgerversicherung) und bescheinigt ihr, daß sie sich "nicht wie die altbekannte keynesianische Litanei liest". Na gut, darüber muß ich noch nachdenken. Besonders interessant aber finde ich den Schlußgedanken: "Aus Sicht der Kapitalistik wohnen wir einer Umgruppierung der - für einige Zeit organisatorisch gespaltenen - sozialdemokratischen Bewegung bei, die nach rechts hin verliert und nach links ausgreift, bis sie in langen Oppositionsjahren neuen Regierungsaufgaben entgegengereift sein wird. Irgendwann wird es dann eine weitere Fusion geben, diesmal zwischen den Erben von Müntefering/Schröder ein-, den Nachkommen der Linksbündnis-Gründer andererseits. So bereitet sich jetzt, in einer schweren Stunde der SPD, ihre spätere Wiedergeburt vor." Das ist ein wichtiges Ergebnis historisch fundierter Politikbeobachtung. Es führt uns wieder vor, daß wir beim Shiften von Gesellschaft mit gaaaanz langen, Generationen übergreifenden Zeiträumen zu rechnen haben. Mindestens.

Quagmire

Während sich hier seit Wochen alles um den Schlamassel der deutschen Regierungskrise dreht, erweist sich frühmorgendliche Gymnastik nicht nur als körperliches Fitnesstraining - wenn man dabei Deutschlandfunk hört. Heute, 6:12 in den Informationen am Morgen interessante Nachrichten von außerhalb der deutschen Provinz: Donald Rumsfeld hatte sich dem Streitkräfteausschuß des Senats zur Befragung über den Irakkrieg stellen müssen und bekam deutlichen Gegenwind von mehreren Senatoren. In ihren scharfen Attacken verlangten vor allem Edward Kennedy und Robert Bird den Rücktritt Rumsfelds. "Wir haben genug von Ihren ... smarten Antworten", so Bird. Kennedy setzte die Situation der USA im Irak mit derjenigen am Ende des Vietnamkriegs gleich: " We are now in a ... seemingly intractable quagmire."
Quagmire ( = Morast, Schlamassel) war das Codewort für die desaströse Lage Amerikas, die schließlich zum Abzug aus Vietnam führte. Die Kritik im Senatsausschuß spiegelt die Stimmung der amerikanischen Bevölkerung wider: Nach neuesten Umfragen halten nur noch 39 % der Amerikaner den Irakkrieg für gerechtfertigt. Immerhin was Erfreuliches.

Samstag, 18. Juni 2005

Politoblogie!

Politik ist ausdifferenziertes Teilsystem der Gesellschaft. Also. Nix mit Blog-Untertitel ändern.
Heute mal Printmedientag: SZ heute (Seite 8, "Ein begnadeter Populist"), zitiert aus einem Strategiepapier der WASG: "Die Agitation und Propaganda muss populär, klar und einfach sein." "Es gehe 'auch um einen linken Populismus, der notwendig ist, um Massen zu mobilisieren'". Genau: klare und einfache Lösungen für komplexe gesellschaftliche Probleme. Funktioniert gut, um "die Massen zu mobilisieren". Funktioniert schlecht, um die Probleme zu lösen. Denn die Strategie folgt jener, die ein Betrunkener anwendet, wenn er den verlorenen Hausschlüssel unter der Laterne sucht, obwohl er ihn anderswo verloren hat, aber immerhin kann er unter der Laterne eben besser sehen beim Suchen.
Nun habe ich einen Auszug aus "Mein Kampf", in dem lautet die gleiche Weisheit der Massenmobilisierung so: "Jede Propaganda hat volkstümlich zu sein und ihr geistiges Niveau einzustellen nach der Aufnahmefähigkeit des Beschränktesten unter denen, an die sie sich zu richten gedenkt. Damit wird ihre rein geistige Höhe um so tiefer zu stellen sein, je größer die zu erfassende Masse der Menschen sein soll... Je bescheidener dann ihr wissenschaftlicher Ballast ist und je mehr sie ausschließlich auf das Fühlen der Masse Rücksicht nimmt, um so durchschlagender der Erfolg. ... Die Aufnahmemöglichkeit der großen Masse ist nur sehr beschränkt, das Verständnis klein, dafür jedoch die Vergeßlichkeit groß. Aus diesen Tatsachen heraus hat sich jede wirkungsvolle Propaganda auf nur sehr wenige Punkte zu beschränken und diese schlagwortartig so lange zu verwerten, bis auch bestimmt der Letzte unter einem solchen Worte das Gewollte sich vorzustellen vermag." Soweit A. Hitler, zit. n. Reinhard Kühnl, Der deutsche Faschismus in Quellen und Dokumenten, Köln 1975, S. 111. Nicht, daß ich irgendwen oder irgendwas gleichsetzen täte, das liegt mir nicht. Aber vergleichen, das liegt mir schon, denn das ist eine bewährte Methode, um Unterschiede herauszufinden. Den Hauptunterschied sehe ich vor allem zwischen der Propaganda und der Realität. Es ist keine "Tatsache", daß man "dem Volk" Lügen erzählen muß, weil es dumm ist. Aus der Perspektive der "Massen" würde sich diese "Tatsache" gewiß ganz anders herum formulieren. Jedenfalls sind "die Massen" heuer hoffentlich nicht wieder so blöd und suchen den Schlüssel unter der Laterne.

Freitag, 17. Juni 2005

Utschitsa, utschitsa, utschitsa!

Man kommt in diesen Tagen ja überhaupt nicht dazu, was Richtiges zu arbeiten! Alle sind jetzt Opposition. Opposition ist derzeit die beliebteste Ware auf dem Politmarkt. Viele konkurrente Angebote. Und alle Händler schreien: "Wir sind die echte Opposition!" Ich war heute auf dem Markt und hab mir wieder neue Ware angesehen. Komisch: Alle Angebote stinken ähnlich, wie vergammelter Fisch. Jetzt dieser Lafontaine wieder: Staatsschutz gegen "Fremdarbeiter". Ja sind sie denn alle meschugge geworden? Und derselbe: "Deutscher ist nach meinem Verständnis nur, wer sich an der Gemeinschaft beteiligt." Das kann die NPD aber doch viel eleganter - länger geübt, woll! - und vor allem: Bei ihr klingt es sogar viel pc-mäßiger: "Wir lieben das Fremde - in der Fremde". Na ja egal - Hauptsache völkisch-national. Dazu ein schöner Beitrag von Richard Herzinger.
Gregor Gysi, guck doch du wenigstens noch mal ins Manifest, bevor du dich mit einer nationalen Opposition an einen gemeinsamen Stammtisch setzt. Wie hieß da doch gleich der letzte Satz? Genau: "Proletarier aller Länder..." Das ist genau der, der die kleinbürgerlichen nationalen Sozialisten von den anderen unterscheidet. Und dann steht da noch manches zur "Globalisierung", das man nicht oft genug wieder nachlesen kann: Sie ist, sie findet statt, sie vollzieht sich - auch ohne unser Placet - hinter unserem Rücken, und alle Bewegung dagegen ist reaktionär.

Mittwoch, 15. Juni 2005

Gegeben!

Aus dem Interview von Heribert Prantl mit Oskar Lafontaine in der SZ von morgen: OL: "Da läuft im Moment eine karnevalsreife Veranstaltung: Man wirft Gysi und mir vor, wir machten Politik nur, um unsere Eitelkeit zu befriedigen." HP: "Das ist ja nicht falsch." OL: "Gysi und ich bewundern jeden Tag die uneitlen Figuren Schröder und Fischer, Merkel und Westerwelle und schämen uns, daß wir dieses Maß an Bescheidenheit nicht erreichen können."
Jep! Besser hätte er's nicht rüberbringen können.

Montag, 13. Juni 2005

Die SPD, deine antikapitalistische Partei

Ein Foto: Münte, den Arm um Kalle legend (dieser schon in Bronze, jener noch organisch). "Die Kapitalismus-Debatte in der SPD", "Bundesregierung prüft bereits schärfere Regeln für ausländische Spekulanten", "Schröders Kampf gegen die Spekulanten", "Kampf gegen Hedge-Fonds", "Lex Deutsche Börse, ein Plan zur Abwehr ausländischer Spekulanten", so schallt es aus der Seite 2 der SZ von heute. Na, jetzt geht's aber ran! Will die SPD jetzt doch mit WASG/PDS zusammenarbeiten? Keine Angst, Münte verspricht SZ-online: Mit solchen Hasardeuren und Populisten will man nichts zu tun haben. Man hat ja schließlich seinen eigenen Populismus. Denn was verbirgt sich hinter dem "Kampf" der SPD? Nix besonderes: Es ist bloß die überfällige Anpassung der Börsenregeln bezüglich Hedge-Fonds und Private Equity an internationale Gepflogenheiten. Gar nichts Spektakuläres, kein Kampf, keine Kehrtwende in der politischen Praxis, nichts dergleichen! Sondern bloß braves Tagesgeschäft der Politik - na gut, vielleicht ein bißchen spät. Jetzt aber wird großes Tamtam dafür getrommelt und eine ganz normale regulatorische Angelegenheit zur revolutionären Tat rhetorisch aufgeblasen, denn die SPD muß ihre "Linke" bei Laune halten, damit sie nicht ganz und gar dem Proselytentum verfällt, und muß die abtrünnigen Wähler wieder einfangen, kurz: es ist höchste Zeit, die Wahlkampfseife anzurühren.
Daß es ebenso auch deutsche Hedgefonds-Händler und Käufer gibt, daß es ebenso deutsche Firmenübernahmen ausländischer Firmen gibt, daß die Finanzmärkte (Spekulanten!) im Gesamtgefüge der kapitalistischen Ökonomie eine notwendige Systemfunktion erfüllen und die Idee vom guten Industriekapital im Unterschied zum bösen Geldkapital eine uralte dumme Mär ist, gegen die schon Marx zu Felde zog - was juckt es die SPD-Propagandisten und die Jungs von der SZ? Richtungswahlkampf ist angesagt gegen die Schwarzgelben. Und da muß man eben mal ein bißchen Anti gegen etwas geben, wofür man gerade gestern doch noch das Hohelied gesungen hat. Daß ihnen diese angebliche Kehrtwende vielleicht sogar abgenommen wird, ist schon schlimm genug. Was aber gefährlich ist, ist die populistische Wiedererweckung der heißen Liebe zum nationalen Kapital. Zu oft kehrt allein auf dieser Zeitungsseite das Codewort vom "ausländischen Spekulanten" wieder, als daß nicht alle Alarmglocken bei mir bimmeln. Münte, geh mal eben rüber zur Bebel-Büste: Nicht nur der Antisemitismus ist der Antikapitalismus der dummen Kerls. Es sind hier vor allem die Xenophobie, das antiamerikanische Ressentiment und der Antiglobalisierer-Reflex die Zutaten für eure Wahlkampfseife. Also wirklich: So penetrant gestunken hat sie schon lange nicht mehr!

Mittwoch, 8. Juni 2005

Fehlende Theorie

Die sozialen Systeme können auf ihre dringend benötigten Strukturveränderungen nicht ewig warten. Also werden diese als "weiße Revolutionen" von oben in der Version der Rechten verordnet und mehr oder weniger schroff implementiert. Überall. In der Schule gegen die Gewerkschaft, die in Ablehnung der rechten Variante lieber gleich ganz auf Systementwicklung verzichtet und das individuelle Wurschteln der einzelnen Lehrer nach altem Konzept verteidigt. Die Durchsetzung einer Systementwicklung in Hamburgs Schulen hat der SPD-Senat nicht geschafft, weil er Rücksicht auf die Gewerkschaft nehmen mußte. Die CDU kann's, weil sie überhaupt keine Rücksichten nimmt. Nicht anders ist es mit der EU-"Verfassung": Nötige transnationale Vereinheitlichung wird von der Linken abgelehnt, weil sie jetzt eben nur in der liberalen Variante zu haben ist. Aber anstatt eine Alternative, basierend auf einer realistischen Gesellschafts-Analyse zu entwickeln und zu propagieren, findet die Linke in ihrer Generalabwehr plötzlich den Volkssouverän im Nationalstaat, den es zu verteidigen gälte. Als hätte es ihn da je wirklich gegeben. Die WASG beschwört die herrlichen Zeiten der neokeynesianischen 60er. Überall tritt die Linke als Antimodernisierer auf: Bloß keine Veränderungen! Zurück nach gestern! Fülberth und Haug erwarten von einer gemeinsamen Wahlplattform von WASG und PDS die Initialzündung für die Erneuerung der Linken. Was sind das für Illusionen? Was ist das für ein Aktionismus? Ist da jetzt etwa die Zeit dafür? Setzt euch auf die Hosenböden und macht Analyse und Theorie-Entwicklung wie die Teufel! Das ist, was gebraucht wird. Die Abwehrkämpfe sind doch sowieso schon längst verloren.

Montag, 6. Juni 2005

Jürgen Habermas

schreibt heute in der SZ zur Europa-Krise über die legitimen Hintergründe und die nicht überzeugenden Begründungen der nons und nees, über die grundlegenden Defizite der Verfassung und über den Verlust globaler Gestaltungsmöglichkeiten durch deren Ablehnung. Zu letzterem meint er: "Man kann die plötzlich erwachte Europaneigung von republikanischen Scharfmachern wie Newt Gingrich verstehen: Das wahrscheinlichste Szenario ist ein Abdriften unseres ökonomisch geeinten, aber als politische Größe zerfallenden Kontinents in den gesellschaftspolitischen Sog der Hegemonialmacht." Habermas' Aufsatz ist der erste Text, den ich gefunden habe mit einer Sammlung bemerkenswerter Argumente zur Einschätzung der Referenden.
Bild: Ivan Montero / fotolia

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