Neues Lernen mit dem neuen Leitmedium

Am Samstag, dem 4. Oktober gingen in Vaduz (Liechtenstein) 25 Internet-interessierte Pädagogen in Klausur, um "Neues Lernen mit Medien" dialogisch zu erkunden. Die Klausur war Teil des AdZ-Netzwerk-Kongresses der Schulerneuerer, der den Titel Herausforderungen trug.

Jean-Pol Martin hielt den Einführungsvortrag "Mit Schülern die Welt verbessern? Wie man im Unterricht an das Bedürfnis nach Sinn anknüpft". Engagiert präsentierte er sein anthropologisches Modell und sein Konzept menschlicher Kommunikationsnetze analog dem neuronalen Netz. Leider bot der organisatorische Rahmen keine Möglichkeit, Jean-Pols Hypothesen anschließend im Plenum zu diskutieren. So blieben die notwendigen Fragen ungestellt. Mir jedenfalls erscheint die einfache Gleichsetzung von menschlicher (Kommunikations-)tätigkeit mit der Funktionsweise des neuronalen Netzes diskussionsbedürftig. Trotzdem war es ein sehr interessanter Vortrag, nicht zuletzt deshalb, weil Martin über Skype Christian Spannagel eingebunden hatte, der seine Idee des öffentlichen Wissenschaftlers darlegte.

Am Nachmittag fanden dann drei Workshops zum "Neuen Lernen mit Medien" statt. Mein Beitrag dazu war der Vortrag "Neues Lernen mit Medien: Lernen und Lehren mit Weblogs in der Schule." Die Teilnehmer diskutierten vor allem den von mir in einem theoretischen Teil thematisierten Paradigmenwechsel vom Unterricht zur Lernkultur. Anschließend untersuchten wir zusammen meine exemplarische Weblogsammlung aus der internationalen Schulpraxis unter der Fragestellung: Altes Unterrichten mit neuen Instrumenten oder Neues Lernen mit dem neuen Leitmedium? Sehr froh war ich, dass auch Zeit genug war, dass zwei Teilnehmer ihre eigenen Blogs vorstellen konnten: Bio 2.0 und Schueler-Mobbing.

Hier mein Vortrag: Neues-Lernen-mit-Weblogs (pdf, 52 KB)
jeanpol - 6. Okt, 17:47

Neuer Leser

Du hast nun einen neuen aufmerksamen Leser deines Blogs!;-)))

Lisa Rosa - 6. Okt, 18:02

Hallo Jean-Pol

War toll, Dich kennen zu lernen! Und ich hätte Deine Thesen so gerne diskutiert! Aber das können wir doch hier nachholen. Oder besser noch: auf dem Blog, der aus der Klausur entstanden ist, denn da finden die Teilnehmer aus Vaduz wahrscheinlich besser hin - und wir wollen doch nicht unter 4 Augen diskutieren: http://bodensee.twoday.net

also bis gleich dort ...
fuellersbureau - 13. Okt, 15:54

suche lisa rosa

hi lisa, war auf dem kongress, aber nicht in deinem panel. moechte gerne kontakt wegen es textes dort. wuerde ich gern drucken. best fuellersbureau (cif@taz.de)

teacher - 16. Okt, 21:38

Hi,
Habe mit großem Interesse deinen Weblog-Artikel gelesen.
Meine kritischen Gedanken:
1. Das Internet als Leitmedium funktioniert erst, wenn wesentliche Grundkompetenzen (vor allem Medienkompetenzen) erworben sind - d.h. es kann strukturierte Leitmedien (z.B. das Buch) nicht ersetzen. Gerade Kinder brauchen lineare - objektive - allgemeingültige Basiskenntnisse.
2. Deine Definiton von "Lernkultur" bzw. Lerngesellschaft gefällt mir - widerspricht nur meinen Erfahrungen: Spaßgesellschaft, Mediengesellschaft, Konsumgesellschaft ... keine Lerngesellschaft. Lernen von transferfähigem Wissen ist harte Konstruktions-Arbeit, passiert nicht zufällig, nebenbei, "informell".
3. Weblogs sind ein Hype und werden abflauen, Anzeichen gibt es dazu genug. Lernen kann man nur an Vorbildern, also in Hierarchien, von Menschen, die mehr wissen und können. Das Schreiben und Kommentieren unter Gleichrangingen bringt keinen Fortschritt.

liegrü teacher

Lisa Rosa - 16. Okt, 21:44

Danke, dass Du die Antithese aufgemacht hast! Vielleicht provoziert das eine Diskussion. Schöne Grüße in die Alpenrepublik! LR
bembelkandidat (Gast) - 16. Nov, 20:38

off topic

zugegeben, paßt nicht so ganz zum thema, doch es gibt leider kein entsprechendes posting ... wollte eigentlich nur loswerden, daß mir dein neues layout sehr gut gefällt :-)

Lisa Rosa - 16. Nov, 22:11

Danke!

Freut mich, dass es gefällt! :-)
norberto42 (Gast) - 28. Dez, 22:35

altes / neues Lernen?

Mit Freude sehe ich mich im Vortrag zitiert, wenn auch als Vertreter des alten Lernens. Das trage ich mit Fassung: die Grenzlinie läuft nämlich nicht zwischen altem und neuem Lernen, sondern zwischen Lernen und Nichtlernen,
und die Schüler, die sich bei mir artig bedanken, wie L.R. schreibt, weil sie etwas gelernt oder verstanden haben, bestärken mich in meiner Auffassung vom Verlauf der Grenzlinie.

Vielleicht gibt es ja auch Schüler, die sich artig bedanken, weil sie beim neuen Lernen mit dem neuen Leitmedium etwas gelernt haben? Oder schwimmen diese Schüler noch im großen Teich des Storches?

Lisa Rosa - 30. Dez, 12:01

Hallo Norbert,
Du hast völlig Recht: Die Grenze liegt zwischen Lernen/Nichtlernen. So gesehen, kann niemand Nichtlernen. Die Frage ist, was da gelernt wird. Es ist wohl zunehmend weniger das, was vom Lehrenden intendiert wird - im gesellschaftlichen Maßstab gesehen, nicht unbedingt konkret vor Ort in Deinem Unterricht. 30 % der Schüler in Hamburg lernen nicht ausreichend Lesen, Schreiben und Rechnen. Der Unterricht als traditionelle Veranstaltung, in dem gelernt werden soll, was die Menschen für ihre Gegenwart und Zukunft brauchen, taugt immer weniger, weil er zu Gegenwart und Zukunft nicht passt, sondern aus der Vergangenheit stammt. So gesehen liegt die Grenze zwischen traditionellem Unterricht und Lernen. Mir geht es um den Wechsel der Perspektive: Lernen und Entwicklung - statt Unterricht und Erziehung. Ich bin davon überzeugt, dass das, was gelernt werden muss für Gegenwart und Zukunft nur im selbstbestimmten Lernen erfolgen kann, nicht im fremdbestimmten Unterrichtetwerden. Mit der Interaktivität im Web 2.0 - Zeitalter ist nicht nur die Möglichkeit zum selbstbestimmten Lernen gegeben - die Fähigkeit dazu wird gleichzeitig gefordert. Diese Fähigkeiten entwickeln sich zur Zeit - häufig außerhalb des Unterrichts im Gebrauch der interaktiven Medien. Nein, diejenigen, die diese Fähigkeiten entwickeln, sind die Schüler von heute, und die liegen nicht im Storchteich. Die Schule täte gut daran, sie dabei zu unterstützen, anstatt diesen interaktiven Mediengebrauch der außerschulischen Sozialisation zu überlassen oder gar zu verteufeln.
norberto42 (Gast) - 30. Dez, 18:32

selbstbestimmt?

Hallo, Lisa Rosa,
1. du unterschlägst die Problematik von "selbstbestimmt" (bzw. "Selbstverwirklichung" - das faktische "Selbst" ist ja nicht das wahre Selbst!), vgl. den alten Litt, ca. 1928 (Führen oder wachsen lassen?);
2. du kombinierst "selbstbestimmt" ohne hinreichende Begründung mit web 2.0, es mag also auch neues Lernen mit alten Medien geben.
Sicher hast du Recht, wenn du meinst, man lerne nur das richtig oder wirklich, wofür man sich interessiert oder was einem etwas bedeutet - aber damit stehst du nur vor der alten Frage nach der Motivation.
"teacher" hat die wesentlichen Einwände bereits vorgebracht, ich wollte sie nur theoretisch begründen.

Lisa Rosa - 30. Dez, 19:25

Naja, ich "unterschlage" ja notgedrungen das Meiste in einem kurzen Kommentar. Wenn "theoretische" Begründungen für Selbstbestimmung gewünscht sind, dann findest Du sie vielleicht eher in meinen Aufsätzen. Ich kann so komplexe Sachen nicht in drei Sätzen sagen. Ich benutze nicht das Wort "Selbstverwirklichung" und unterscheide auch nicht zwischen einem faktischen und einem wahren Selbst. Das sind Konzepte, mit denen ich nicht arbeite. Es gäbe also ziemlich viel zu klären.
Was Lernen und Motivation, bzw. Sinn angeht, dazu habe ich in "Was hat das mit mir zu tun?" ... ziemlich ausführlich geschrieben. Auch wenn dort das Keyword Web 2.0 nicht vorkommt, so ist auch dies ein Aufsatz zum Thema Neues Lernen.
Natürlich gibt es neues Lernen mit alten Medien! Wer hat denn gesagt, dass die alten Medien verschwinden mit dem neuen Leitmedium? Sie bekommen nur einen neuen Systemplatz. Ich lerne weiterhin ständig durch Lesen in Büchern - wie eh und je. Aber ich lerne mehr, indem ich z.b. ENDLICH nicht mehr allein mit diesen Büchern bin, sondern mich mit anderen Lesern und eventuell sogar dem Autor im Netz darüber austauschen kann. Denn Lernen hat auf jeden Fall mit Kommunikation zu tun. Und die ist doch entschieden lernträchtiger, wenn sie nicht mehr so einbahnstraßenmäßig ist. Übrigens ist das das Hauptmerkmal des allgmeinen Schulunterrichts, der ja in die Zeit des Buchdrucks und der Industrialisierung gehört: Einbahnstraßenkommunikation. Und man sieht daran auch, wie ein Leitmedium (nämlich das Buch) die Kommunikationsformen und Lernformen der gesamten Gesellschaft bestimmt ;-)
norberto42 (Gast) - 30. Dez, 21:43

selbst-

Hallo, Lisa Rosa,
1. in der Tat hast du nicht von "Selbstverwirklichung" gesprochen - davon habe ich gesprochen, weil ich dachte, das leuchte eher ein: dass Selbstwirklichung nicht heißen kann: "Ich mache, was mir gerade einfällt" (mir = faktisches Ich), sondern: "Ich tue, was ich wirklich will" (ich = besseres Ich, wahres Ich). Ohne diese Unterscheidung bist du jedem Schund als "selbstbestimmt" oder "Selbstverwirklichung" ausgeliefert.
2. Dass du nicht nur von dieser Unterscheidung nicht sprichst, sondern sie nicht denkst, macht die Schwäche deiner Argumentation aus. Oder zu Deutsch: Es ist völlig nebulös, was "selbstbestimmt" in deinen Gedanken ist; wodurch wird denn ein Ich zu ich selbst? [Das Problem ist seit 2000 Jahren bekannt.]

Ich hatte und habe die Adresse meiner philo-Seite vorgegeben: Gib in der Suchmaske die beiden Stichwörter "Selbstverwirklichung" und "Selbstbestimmung" ein, dann findest du vielleicht etwas Brauchbares.

Lisa Rosa - 30. Dez, 22:06

Mit "selbstbestimmt" meine ich das systemtheoretische Verständnis von Autopoiese. Dieses Konzept scheint mir gut zur Erklärung zu taugen, warum jedes psychische System (bzw. das "Subjekt") nur das lernt, was es als für sich sinnvoll erachtet. In diesem Zusammenhang braucht es die psychoanalytische Unterscheidung der Selbst-Psychologen von "wahrem" und "falschem" Selbst nicht, denn es geht mir hier zunächst erst einmal darum, die Fremdbestimmung im Schulunterricht (Lernzielvorgaben, Inhaltsvorgaben) von dem zu unterscheiden, was Lernen tatsächlich motiviert. Starke Motive, persönlicher Sinn, können nicht fremd - also von außen - bestimmt werden.
Warum sollte ich jetzt auf Deine Philoseite gehen? Um zu verstehen, was Du mit selbstbestimmt meinst. Das interessiert mich im Moment aber gar nicht. Du behauptest, mein Begriff von Selbstbestimmung sei "nebulös". Das darfst Du ja gerne meinen. Aber wenn Du den Nebel lichten möchtest und nicht bloß behaupten willst, er sei nebulös, weil mein Begriff ein anderer als Deiner ist, dann lies doch meinen Aufsatz "Persönlicher Sinn und historisch-politisches Lernen". Dort wird theoretisch und auch ziemlich praktisch deutlich, was ich mit "Selbstbestimmung" beim Lernen meine. Besides: Warum sollte ich denn nicht tun dürfen, was mir "gerade einfällt?" Es fällt in der Regel mit dem zusammen, was ich wirklich will. Und ich muss mich eigentlich nicht extra anstrengen, nicht dem zu verfallen, was Du "Schund" nennst, denn das hat gar keine Verführungskraft für mich ;-)
Und noch: Das Ich und das Selbst sind psychoanalytische Kategorien aus zwei verschiedenen Theoriekonzepten. Sie lassen sich nicht beliebig miteinander kombinieren.
norberto42 (Gast) - 30. Dez, 22:16

Dialog

"Warum sollte ich jetzt auf Deine Philoseite gehen? Um zu verstehen, was Du mit selbstbestimmt meinst. Das interessiert mich im Moment aber gar nicht." (L.R.)

Dann ist es ja gut, wenn du nicht verstehen willst, was ich meine.

Lisa Rosa - 30. Dez, 22:29

Hm. Ich dachte, es wäre hier erst einmal darum gegangen, zu verstehen, was ich meine? Immerhin habe ich die Vorlage zur Diskussion gemacht und Du hast Einwände erhoben. Darauf habe ich geantwortet. Auf meine Antworten würdest Du Dich nun wieder beziehen - dachte ich. Stattdessen erwartest Du jedoch, dass ich nun Deine Konzepte genauer studiere? Das kann ich ja tun, aber das wäre dann doch ein neues Thema - oder nicht?
norberto42 (Gast) - 30. Dez, 23:56

innere Logik

Ich habe bei einem von dir unreflektiert gebrauchten Begriff ("selbstbestimmt") zu zeigen versucht, wie problematisch er ist; du lehnst es ab, die Problematik dieses Begriffs zur Kenntnis zu nehmen.
Du propagierst das neue selbstbestimmte Lernen - ich habe selten eine Lehrerin erlebt, die so pointiert (im Stil des alten Lernens!) wie du vorschreibt: "Nun lernt mal schön, was ich sage." Ein schönes Beispiel für die innere Logik deiner Theorie?

Lisa Rosa - 31. Dez, 10:07

Kommunikation

Tja. Da möchte ich mit Luhmann sagen: Gelingende Kommunikation ist unwahrscheinlich. ;-) Trotzdem: Ich wünsche Dir ein gutes Neues Jahr.
norberto42 (Gast) - 31. Dez, 11:33

Im Leitmedium

Nun waren wir schon im neuen Leitmedium, aber Kommunikation dort ist vermutlich noch schwieriger als sonst - was sagt die Theorie dazu? Aus der Praxis weiß ich, dass der Umgangston dort schnell sehr scharf wird.
Vielen Dank für deine guten Wünsche, Lisa Rosa! Auch ich wünsche dir ein gutes neues Jahr 2009.
Norbert

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